Offenbarungseid

[913] Offenbarungseid (auch Manifestationseid), die eidliche Bestärkung eines Vermögensbestandes. Nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 711) muß der Schuldner auf Antrag des Gläubigers den O. leisten, wenn die Pfändung nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat, oder dieser glaubhaft macht, daß er eine solche durch Pfändung nicht erlangen könne. Er muß ein Verzeichnis seines Vermögens vorlegen und eidlich versichern, daß er sein Vermögen nach bestem Wissen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei. Ferner muß der Schuldner, der eine bestimmte bewegliche Sache herauszugeben hat, wenn diese bei der Zwangsvollstreckung nicht vorgefunden wird, auf Antrag des Gläubigers den O. nach § 883 dahin leisten, daß er die Sache nicht besitze, auch nicht wisse, wo sie sich befinde. Endlich kann im Konkurs (s. d.) nach Ausstellung des Inventars vom Konkursverwalter wie von jedem Konkursgläubiger verlangt werden, daß der Gemeinschuldner den O. leiste. Die Leistung des Offenbarungseides erfolgt vor dem Amtsgericht als dem Vollstreckungs- oder Konkursgericht. Sie kann nach § 907 ff. im Fall unbegründeter Verweigerung durch Hast bis zu sechs Monaten erzwungen werden. Die vorsätzliche Verletzung des in einem O. gegebenen Versprechens wird nach § 162 des Reichsstrafgesetzbuches mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch verpflichtet vielfach gewisse Personen, besonders die Verwalter eines Vermögens, die Erben etc., zur Leistung eines Offenbarungseides. Auf diesen (zivilrechtlichen) O. finden aber die Vorschriften über die Erzwingung des in der Zivilordnung und Konkursordnung vorgesehenen Offenbarungseides keine Anwendung. Er wird wie andre Handlungen, die nicht durch einen Dritten vorgenommen werden können (nach § 888), durch Geldstrafen oder Hast, die das Prozeßgericht verhängt, erzwungen. Das österreichische Gesetz vom 27. Mai 1896, betreffend das Exekutionsverfahren, regelt den O. (in § 47–49) in ähnlicher Weise wie die deutsche Zivilprozeßordnung. Außerdem bestimmt Artikel 42 des Einführungsgesetzes zur österreichischen Zivilprozeßordnung, daß Personen, die nach dem bürgerlichen Recht Vermögen oder Schulden anzugeben haben, dazu durch Klage angehalten werden können. Vgl. Gallinger, Der O. des Schuldners (Münch. 1884); Francke, Der O. im Reichsrecht (Berl. 1885); Schönfeld, Der O. und die Hast als Maßregeln der Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung dargestellt (das. 1888).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 913.
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