Oxford [4]

[276] Oxford, Robert Harley, Graf von, brit. Staatsmann, aus einem alten Geschlecht in Shropshire stammend, geb. 5. Dez. 1661 in London, gest. 21. Mai 1724, schloß sich 1688 dem Prinzen von Oranien[276] mit einer auf eigne Kosten ausgerüsteten Reiterschar an und ward 1690 in das Unterhaus gewählt, wo er zu den Führern der Tories gehörte; 1701 ward er Sprecher des Hauses. Nach Wilhelms III. Tod und unter dem Einfluß der großartigen Erfolge Marlboroughs näherte er sich diesem allmählich mit andern gemäßigten Tories und trat 1704 als Staatssekretär in die Regierung ein, indem er zugleich bis 1705 Sprecher des Hauses der Gemeinen blieb. Als jedoch die Whigs immer entschiedener die innere Regierung für sich in Besitz nahmen, wurde Harley, der überdies mit dem Minister Godolphin in Zwiespalt geraten war, 1708 aus dem Ministerium entlassen und trat in die Opposition zurück. Er befestigte sich dadurch, daß er 1710 die von Sacheverell gepredigte Lehre von der absoluten Staatsgewalt billigte, in der schon früher gewonnenen Gunst der Königin Anna, verdrängte die Herzogin von Marlborough aus deren Vertrauen und trat, als die Königin einen völligen, durch die Parlamentswahlen von 1710 unterstützten Systemwechsel vollzog, wieder in die Regierung ein und übernahm deren Führung mit Saint John, dem spätern Lord Bolingbroke. Bald darauf wurde er zum Grafen von O. ernannt und veranlaßte 1711 den berühmten ersten Peersschub, welcher der bis dahin whiggistischen Majorität des Oberhauses ein Ende machte. Auch der auswärtigen Politik gab O. ein eneue Wendung, indem er nach dem Tode Kaiser Josephs I. (im April 1711) zu Utrecht die Friedensunterhandlungen eröffnete, Marlborough aber völlig von der Führung der Armee ausschloß. Bald nach dem Abschluß des Utrechter Friedens (1713) veruneinigte sich O. jedoch mit Bolingbroke, und da er auch die Gunst der Königin verloren hatte, so wurde er 27. Juli 1714 seines Amtes entlassen. Unter Georg I. ward er im April 1715 wegen geheimen Einverständnisses mit Frankreich bei den Friedensunterhandlungen des Hochverrats angeklagt und in den Tower gebracht. Im Juli 1717 freigesprochen, ward er vom König vom Hofe verwiesen, zog sich auf seine Güter zurück und brachte hier eine bedeutende Bücher- und Handschriftensammlung zusammen, die von seinem Sohn, dem Grafen Edward von O., eifrig vermehrt und nach dessen Tod (16. Juni 1741) für 13,000 Pfd. Sterl. an einen Buchhändler, Osborn, verkauft wurde. Die Handschriftensammlung, über 7600 Bände und 17,000 Urkunden umfassend, wurde 1743 an den Staat verkauft und der Bibliothek des Britischen Museums. einverleibt. Mit Alfred, sechstem Grafen von O., erlosch 19. Jan. 1853 die Familie. Vgl. Roscoe, Robert H. earl of O., prime minister 1710–1714 (Lond. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 276-277.
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