Pilzblumen

[881] Pilzblumen (hierzu Tafel »Pilzblumen«), Pilze mit auffälligen, zierlichen, lebhaft gefärbten und stark, meist aasartig riechenden Fruchtkörpern. Durch diese Eigenschaften zeigen die P. eine gewisse Übereinstimmung mit den zur Anlockung von Insekten ausgerüsteten Blumen der Blütenpflanzen, insbes. mit den als Aasblumen bezeichneten Fliegenblumen. Die meisten (etwa 75) Vertreter stellen die zur Ordnung der Gastromyzeten gehörigen Familien der Clathrazeen und der Phallazeen, die beide auch in der ein heimischen Flora vertreten sind (s. Clathrus und Phallus). Die Fruchtkörper der hierher gehörigen Arten stellen ursprünglich kugelige Knollen dar, deren rings geschlossene Hülle (Peridie, Volva) bei der Sporenreife durch den sich streckenden Träger der Sporenmassen (Rezeptakulum) gesprengt wird. Bei den Clathrazeen bildet das Rezeptakulum einen gitterigen, lappigen oder unregelmäßig verzweigten Körper, dessen Äste an ihrer Innenseite die Sporenmasse (Gleba) tragen, während bei den Phallazeen die Gleba dem Rezeptakulum außen aufliegt. Verhältnismäßig einfache Gestalt weisen die Gattungen Clathrus und Laternea auf (Tafel, Fig. 6 u. 7), bei denen das Rezeptakulum als ein lebhaft rotgefärbter, aus gitterartig verbundenen Stäben gebildeter Hohlkörper aus der unregelmäßig zersprengten oder in Lappen sich öffnenden Peridie hervortritt. Die hauptsächlich in Amerika und Australien heimischen Arten der Gattung Anthurus (Tafel, Fig. 1 u. 5) haben als Rezeptakulum einen röhrighohlen Stiel, der an seinem obern Rand in blumenblattartige bunte Lappen ausgeht; ähnlich ist auch bei der den Tropen der Alten Welt angehörenden Aseroë (Tafel, Fig. 2) die Gleba auf buntgefärbten Lappen eines gestielten Rezeptakulums ausgebreitet, die aber nicht eine direkte Fortsetzung der Wandung des röhrigen Stiels darstellen, sondern vom Rand einer scheibenartigen Erweiterung des obern Stielrandes entspringen. Bei der im südlichen Afrika vorkommenden Kalchbrennera (Tafel, Fig. 3 u. 30) trägt der röhrenförmige Stiel eine dem Rezeptakulum von Clathrus ähnliche Gitterkugel, deren Gitteräste außen mit korallenartigen Fortsätzen versehen sind. Unter den Phallazeen ist besonders die Gattung Dictyophora (Tafel, Fig. 4 u. 4 a) zu den P. zu rechnen, die in den Tropen und Subtropen beider Hemisphären in wenigen Arten vertreten ist. Der Fruchtkörper der Dictyophora pballoidea (Schleierdame) entwickelt sich aus einer rundlichen, 2–5,5 cm großen Fruchtkörperanlage, deren Hülle durch den Druck des sich streckenden Stiels zuletzt zerrissen wird; hierauf hebt der mit staunenswerter Geschwindigkeit (etwa um 1–5 mm in der Minute) wachsende Träger einen wabenartig gefelderten, mattgrünen Hut empor, unter dessen Rand ein seines, weißes Maschennetz (Indusium) unter hörbarem Knistern sich herabsenkt und schließlich eine reifrockähnliche Hülle um den Träger herstellt; ein durchdringender, an faulen Rettich erinnernder Geruch geht von dem zerfließenden Schleim auf der Oberfläche des Hutes aus. Der Streckungsvorgang erfordert nur 2–4 Stunden und ist in der Regel bei hereinbrechender Dunkelheit beendet, so daß Anlockung von Nachtinsekten wahrscheinlich ist. Vgl. Möller, Brasilische P. (Jena 1895); Fischer, Vergleichende Entwickelungsgeschichte und Systematik der Phalloideen (in den »Denkschriften der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft«, Bd. 32, 1890).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 881.
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