Pusey

[465] Pusey (spr. pjūsi), Edward Bouverie, anglikan. Theolog, Urheber der nach ihm benannten katholisierenden Richtung in der anglikanischen Kirche (Puseyismus, Anglokatholizismus), geb. 22. Aug. 1800 in Pusey House (Berkshire), gest. 16. Sept. 1882 in Oxford, wurde 1824 Fellow an Oriel College daselbst und lernte bei längerm Aufenthalt (1825–27) in Göttingen, Berlin und Bonn den deutschen Protestantismus kennen. Die Frucht dieser Eindrücke war die Schrift »A historical inquiry into the probable causes of the rational character lately predominant in the theology of Germany«. 1828 erhielt P. die Professur des Hebräischen an der Universität Oxford und das Kanonikat von Christ Church. In freundschaftlichem Verkehr mit Froude (s. d.), J. H. Newman (s. d. 1) und John Keble ward er mehr und mehr zu an den Katholizismus streifenden Grundsätzen geführt. Seit 1833 gab er mit den Genannten und andern Gesinnungsgenossen zur Abwehr der von mehreren Mitgliedern der Oxforder Universität versuchten »Liberalisierung der Kirche« die »Tracts for the times« (»Zeitgemäße Abhandlungen«) heraus, die immer offener dem Katholizismus das Wort redeten, indem sie die Geltung der apostolischen Nachfolge, die Einführung der Messe, der Kirchenbuße und Ohrenbeichte, auch der Fastenverlangten. Nach diesen Traktaten erhielt die Oxfor der Bewegung (Oxford movement) den Namen Traktarianismus. Nach dem Erscheinen des 90., von Newman verfaßten Traktats, in dem die »39 Artikel« katholisierend ausgelegt wurden, wurde die Fortsetzung von der Regierung 1841 untersagt und P. selbst 1843 vom Board of heresy seines Predigtamtes auf zwei Jahre entsetzt. Dafür fand er unter den Studenten und der von Oxford ausgehenden jüngern Geistlichkeit zahlreiche Anhänger. Mehrere seiner Freunde, vor allem Newman, traten zur katholischen Kirche über, und Hunderte von Geistlichen folgten ihnen. P. selbst blieb, da er sich weder zur Marienverehrung noch zur Anerkennung der Autorität des Papstes verstehen mochte, in der anglikanischen Kirche, wirkte aber in seinem »Eirenicon« (1865–69, 3 Bde.) für die Einigung der Konfessionen. S. das Weitere im Artikel »Ritualismus«. Als Schriftsteller hat sich P.,[465] abgesehen von seiner Betätigung an den dogmatischen FragenThe doctrine of the real presence«, 1855; »The Church of England a portion of Christ's one body«, 1865, u. a.) als Herausgeber und Übersetzer patristischer Schriftwerke einen Namen gemacht. »Spiritual letters« Puseys gaben Johnston und Newbolt heraus (Lond. 1898, 2. Aufl. 1901). Die unvollendet hinterlassene Biographie Puseys von Liddon wurde fortgeführt von Johnston, Wilson und Newbolt: »Life of Edw. B. P.« (Lond. 1893–97, 4 Bde.). Vgl. auch »P., story of his life, by the author of Charles Lowder« (Lond. 1900). Zur Oxforder Bewegung und zum Traktarianismus vgl. Church, The Oxford movement (Lond. 1891); Walsh, The secret history of the Oxford movement (das. 1897, 4. Ausg. 1899); Cruttwell, Six lectures on the Oxford movement (das. 1899); Nye, The story of the Oxford movement (das. 1899); Hall, A history of the Oxford movement (das. 1906). S. auch die Literatur bei Newman und Ritualismus.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 465-466.
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