Reichsangehörigkeit

[732] Reichsangehörigkeit, deutsche. Bis zur Auflösung des frühern Deutschen Reiches bestand für die Angehörigen der sämtlichen zugehörigen Gebiete neben dem Landesindigenat ein gemeinsames Reichsindigenat oder Reichsbürgerrecht. Freilich war die Bedeutung der darin enthaltenen Rechte mit der Zeit mehr und mehr abgeschwächt worden. Der nachmalige Deutsche Bund dagegen war lediglich ein völkerrechtlicher Verein und kannte kein gemeinsames Bundesindigenat. Die deutschen Grundrechte von 1848 und die Reichsverfassung vom 28. März 1849 wollten gegenüber diesem nachgerade unerträglichen Zustand ein gemeinsames deutsches Reichsbürgerrecht einführen. Die norddeutsche Bundes- und die deutsche Reichsverfassung aber stellten für die Angehörigen der sämtlichen Bundesstaaten ein gemeinsames Bundes- oder Reichsindigenat fest. Der Art. 3 bestimmt nämlich: Für ganz Deutschland besteht ein gemeinsames Indigenat mit der Wirkung, daß der Angehörige (Untertan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in jedem andern Bundesstaat als Inländer zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetrieb, zu öffentlichen Ämtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechts und zum Genuß aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie die Einheimischen zuzulassen, auch in betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes gleich zu behandeln ist. Durch das Bundes- (spätere Reichs-) Gesetz vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit wurde die R. für sämtliche Bundesstaaten einheitlich geregelt, in dem § 1 dieses Gesetzes bestimmte: die R. wird durch die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat erworben und erlischt mit deren Verlust. S. auch Staatsangehörigkeit, die Kommentare zum Reichsgesetz von Krech (5. Aufl., Berl. 1901) und Grill (2. Aufl., Münch. 1901) und Textbeilage zum Artikel »Reichsgesetze«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 732.
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