Samenfluß

[520] Samenfluß (Spermatorrhöe), krankhafte Samenergießung, kann sich als abnorm häufige Wiederkehr von Pollutionen zeigen und führt zu geistiger und körperlicher Mattigkeit und zu Abschwächung des geschlechtlichen Vermögens. Bei höhern Graden des Leidens treten die Samenergießungen auch am Tage ein, infolge geringster mechanischer Reize, bei geschlechtlichen Vorstellungen oder ohne jeden Anlaß. Außerdem können Samenverluste auch durch verstärkten Druck auf die Samenblasen bei Anstrengung der Bauchpresse, namentlich beim Stuhlgang und bei der Blasenentleerung, erfolgen. Sehr häufig ist der S. eine Teilerscheinung der Neurasthenie, speziell der geschlechtlichen Neurasthenie. Diese beruht meist auf andauernden geschlechtlichen Reizungen oder Exzessen, auf Onanie oder übermäßiger Ausübung des Beischlafs. Daneben sind lokale Erkrankungsprozesse der Harnröhre, der Samenblasen und der Vorsteherdrüse bedeutungsvoll für die Entstehung des Samenflusses. Sie können ebenfalls durch lange fortgesetzte Onanie hervorgebracht werden, besonders aber durch den chronischen Tripper und seine Komplikationen. Die Behandlung ist eine allgemeine und lokale (Psychrophor, Silberlösung, Elektrizität). Die Prognose ist um so günstiger, je mehr der Patient den Pubertätsjahren[520] entrückt und je kräftiger er ist. Völlige Heilungen sind nicht sehr häufig, wohl aber erhebliche Besserungen, durch welche die Patienten wieder arbeits- und genußfähig werden. Heirat ist oft von gutem Erfolg. Übrigens kommen recht oft im Sekret bei chronischer Entzündung der hintern Harnröhre und selbst im Harn Samenfäden vor, ohne daß S. vorliegt. Diese Zustände bedingen an sich nicht die schweren nervösen Folgezustände des Samenflusses, wenn nur der Patient keine Kenntnis davon erhält oder wenigstens nicht durch gewisse populäre Schriften, die auf diesem Gebiete großes Unheil anrichten, geängstigt wird.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 520-521.
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