Samt

[530] Samt (Sammet, Seidensamt, echter Samt, franz. Velours, engl. Velvet), Spezialität der samtartigen Gewebe, deren Haardecke dadurch gewonnen wird, daß man Nadeln von herzförmigem Querschnitt einwebt, über welche die Polkette läuft, so daß letztere einen Schlauch um die Nadeln bildet, der aufgeschnitten den Pol bildet. Zieht man die Nadeln ohne weiteres heraus, so erhält man den ungerissenen oder ungeschnittenen S. (Halbsamt, Ritzer, Velour frisé); schneidet man aber längs der Nadeln die Maschen auf, so erhält man den gerissenen oder geschnittenen S. (Velour coupé). Bisweilen erzeugt man auch die Maschen über einem dicken Einschußfaden und läßt diesen liegen, so daß sich feste Rippen bilden (gerippter S.). Muster oder Figuren erzeugt man im S. (gemusterter, façonnierter S., Velour figuré) durch Flor von verschiedenen Farben; durch ungleiche Länge des Flors an verschiedenen Stellen, indem man wellenförmige Nadeln anwendet (Wellensamt); durch teilweises Schneiden der Samtnoppen, so daß der geschnittene Flor im ungeschnittenen oder dieser in jenem Dessins bildet;[530] durch nur teilweise Besetzung des Grundes mit Flor, wobei die Figur aus S. von einem atlasartig oder anders gewebten Grund umgeben ist. In diesem Fall ist die Kette desselben entweder mit keiner Pole versehen, oder die Polfäden werden überall, wo sie nicht S. bilden dürfen, in den Grund eingewebt. Doppelsamt (Velour à double face) hat auf beiden Seiten eine haarige Fläche; dabei ist meist die eine Seite andersfarbig als die andre. Velour rayé ist langgestreifter S. Durch Niederpressen des Flors entsteht gepreßter S. (Velour gaufré), Utrechter S., dessen Muster von den niedergepreßten Florstellen gebildet werden. Hat sich S. beim Gebrauch platt niedergedrückt, so erhitze man eine Zink- oder Kupferplatte, bedecke sie mit einem nassen leinenen Tuch, lege auf dieses die Rückseite des Samts und bürste nun die Haare mit einer weichen Kleiderbürste wieder auf. Auch wollene samtartige Zeuge werden vielfach hergestellt und als Möbel-, Futter-, Kragen-, Vorhang-, Mützenstoff etc. verwendet. Zu ihnen gehören: Astrachan, Krimmer, Biber, Kastorin, Velours d'Utrecht u.a. Baumwollene Samte führen die Namen Manchester (franz. manchester velours coton, engl. velvet, vel veteen, cord). Sehr seinen S. liefern gegenwärtig Lyon, Krefeld und Elberfeld. In der japanischen Kunstindustrie werden Samtgewebe zur Herstellung von Gemälden (Kakemonos und Makimonos) benutzt, indem man Tiere, Pflanzen, Blumen, Baumblüten u. dgl. durch ausgeschnittenen Flor darstellt. Die Figuren heben sich reliefartig von dem glatten, ripsartigen Grund ab, und man erzielt eine Wirkung, die mit der Malerei in Farben, in Zartheit und Feinheit wetteifert. – Über das Alter der Samtweberei ist ein bestimmter Nachweis nicht zu führen. Wenn in ältern Schriften von langhaarigen Stoffen (Sciamito, Timit, Velours, Velvet, Felbel) die Rede ist, sogar erwähnt wird, daß den Römern Zeuge der gallischen Wollindustrie von vielfädigem Einschlag bekannt waren, die zum Teil zerschnitten, als lose Enden ein Vlies bildeten, so dürften hier besonders dicke Gewebe gemeint sein, deren Haardecke man durch Aufrauhen der Oberfläche (Kardieren) herstellte. Dies dürften gerauhte Atlasstoffe aus koptischen Gräbern des 5.–8. Jahrh. bestätigen. Auch sind von dort Gewebe mit Noppen bekannt, die durch Handarbeit aus Durchzugfäden in Wolle und Leinen gebildet wurden; letztere dienten für Winterkleidung, erstere für ornamentale Wandbehänge als Vorläufer der Teppichindustrie. Die eigentliche mechanische Velours- oder Samterzeugung war dem Mittelalter noch fremd, wenn auch figurenreiche glatte Seidengewebe unter Anwendung von mehr als einer Kette vorkommen. China, das Stammland der Seide und aller Kunstweberei, hat erst aus dem 18. Jahrh. Samt aufzuweisen und stellt noch heute nicht so gute und dichte Velourstoffe her wie das Abendland. Die ältesten Samtwebereien stammen aus dem 14.–15. Jahrh. und entstanden in Seidenfabriken der venezianischen Kolonien des Orients, worin auch Araber tätig waren. Dies erklärt die große Verwandtschaft zwischen der orientalischen mit der italienischen Mustergebung in Tapeten- und Trachtenstoffen bis ins 16. Jahrh. (vgl. Weben, Geschichtliches). Vgl. Strahl, Die Samt- und Plüschfabrikation (Berl. 1900, 1. Teil: Die Bindungen).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 530-531.
Lizenz:
Faksimiles:
530 | 531
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika