Schulerziehung

[64] Schulerziehung. Unter normalen Umständen pflegt im modernen Leben die Heranbildung eines Kindes geteilt zu sein zwischen Haus und Schule. Man unterscheidet daher häusliche und S., die allerdings erst zusammen das Ganze der Erziehung ausmachen. Nur in besonders gearteten Fällen wird die Erziehung entweder ganz in die Familie verlegt mit Hilfe von Hauslehrern oder ganz der Schule überwiesen, deren Aufgabe sich alsdann zur Anstaltserziehung erweitert. Selbst in dieser lassen sich aber noch S., d. h. Erziehung durch Unterricht, und Hauserziehung, d. h. Erziehung durch häusliche Einflüsse, unterscheiden. Daß wirklich die Aufgabe des Schulunterrichts im höchsten Ziele erziehlich ist und nicht auf Mitteilung von Kenntnissen und Fertigkeiten beschränkt werden darf, ist eine alte Wahrheit, die aber in der Praxis oft genug über den drängenden nächsten Zielen des Unterrichts vergessen wird. Es muß daher den Vätern der modernen deutschen [64] Pädagogik Johann Heinrich Pestalozzi und Johann Friedrich Herbart dankbar angerechnet werden, daß sie auch dem Schulunterricht allgemeine Emporbildung der menschlichen Geisteskraft zur Pflicht machten und das Ganze der Pädagogik aus dem Zwecke der Erziehung ableiteten, so daß nach ihnen kein Schulunterricht mehr gilt, der nicht durch Weckung des Interesses und ästhetische Würdigung der umgebenden Welt zur charaktervollen Sittlichkeit führt, wie freilich auch keine planvolle Erziehung des Gemütes der Belehrung durch Unterricht entraten kann.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 64-65.
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