Somal

[588] Somal (Mehrzahl Somali), ein zu dem äthiopischen Zweig der Hamiten gehöriger Volksstamm, der geographisch von den Galla (s. d.) abgetrennt ist und das Osthorn Afrikas bis zum Dschubb und Tana bewohnt. Nach Paulitschke bilden den Grundstock die Galla, die sich mit den vom 6.–16. Jahrh. eingewanderten Arabern, vielleicht auch mit Negern vermischten (s. Tafel »Afrikanische Völker II«, Fig. 14 u. 15); sie sind also stark mit fremden Elementen gemischt (am stärksten in der Landschaft Ogaden). Eine starke arabische Blutmischung ist durch die gebogene Nase, das längliche Gesicht, den feingeschnittenen Mund und das lange, gekräuselte Haar unverkennbar, doch finden sich auch negroide Züge. Die S. zerfallen in eine große Zahl unabhängiger Stämme (Rer oder Fakida), unter ziemlich machtlosen Häuptlingen, die nur zu Kriegszügen vereinigt sind. Doch kann man drei große Gruppen unterscheiden: Rahanuine (Rahanwihn) zwischen dem Webi Schebeli und Dschubb, Hawijah am linken Ufer des Webi Schebeli vom Indischen Ozean bis Ogaden und Hawijah Haschija (Adschi) im nördlichsten Teil, unter denen die Medschurtin, Gadabursi und Issa (Eïssa) die bedeutendsten sind. Verstreut und verachtet leben unter ihnen die Jebîr, Achdam, Rami und Tomal, vielleicht die Urbevölkerung des Landes, nach andern Völkersplitter, nach Paulitschke den afrikanischen Zwergvölkern verwandt. Sklaven kennt man nur im mittlern und südlichen Teile, wo sie besonders grausam behandelt werden. Die Zahl der S. wird auf höchstens 13/4 Mill. (nach neuern Berechnungen noch nicht 1 Mill., gegen 2,1 Mill. bei Paulitschke) geschätzt. für den wichtigsten Stamm (Gadabursi) schätzt Paulitschke nur 25,000 Seelen; ihre Volkszahl nimmt nach N. hin zu. Sie sind fanatische Mohammedaner. Die Sprache der S. gehört zu dem äthiopischen (südlichen) Zweig des hamitischen Sprachstammes, enthält aber auch semitische und vielleicht noch andre Elemente. Grammatiken lieferten Prätorius (im 24. Bd. der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, 1870), Hunter (Bombay 1880), A. W. Schleicher (Berl. 1892) und Kirk (Lond. 1905). Vgl. Reinisch, Die Somalisprache (Wien 1900–03, 3 Tle.: Texte, Wörterbuch, Grammatik); A. W. Schleichers »Somalitexte« (hrsg. von Reinisch, das. 1900). Das S. wird meist mit der arabischen Schrift geschrieben, wie auch die Kenntnis des Arabischen unter den S. ziemlich verbreitet ist. Die beduinischen S. sind leidenschaftlich, verräterisch und grausam, die Bewohner der größern Ortschaften dagegen verhältnismäßig gebildet, alle stolz, freiheitliebend, im allgemeinen Feinde der Fremden und leben meist in Monogamie. Bei Kindern beiderlei Geschlechts findet man Beschneidung, bei Mädchen bis zur Verheiratung Infibulation (s. d.). Heiraten kann nur, wer einen Mann getötet hat. Das Mädchen wählt den Mann, der aber dem Schwiegervater für dasselbe zahlen muß; die Frauen haben die ganze Arbeitslast. Als Kleidung dient ein der abessinischen Schama ähnliches Baumwollentuch; die Frauen tragen Beinkleider, Sandalen sind häufig. Als Waffen dienen Lanzen, Dolchmesser, runde Schilde, Bogen, vergiftete Pfeile, im Süden auch Schwerter (s. Tafel »Afrikanische Kultur I«). Die Wohnungen, in den Städten aus Steinen und Lehmziegeln, werden aus Fachwerk und Strohmatten errichtet; die nomadisierenden S. haben zeltähnliche Hütten. Die Nahrung besteht meist aus Milch und Fett, seltener Fleisch; Spirituosen und Schweinefleisch sind ihnen als Mohammedanern verboten. Als Haustiere werden Kamele, Rinder (Zebu), Schafe, Ziegen, Pferde, Esel gehalten. Den Toten zollt man hohe Verehrung. In neuerer Zeit (1899–1902) haben die zum Teil in Zeitschriften verstreuten Arbeiten von Neumann, v. Erlanger, Graf Wickenburg manche Aufklärung gebracht. Vgl. Paulitschke, Beiträge zur Ethnographie und Anthropologie der S., Galla und Harari (2. Ausg., Leipz. 1888) und Ethnographie Nordostafrikas (Berl. 1893–1896, 2 Bde.); Ferrand, Les Çomâlis (Par. 1903) und die Literatur bei Artikel »Galla«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 588.
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