Staatsschatz

[811] Staatsschatz, soviel wie Staatskasse, insbes. ein Vorrat an barem Geld, der vom Staate für außergewöhnliche Bedürfnisse zurückgelegt und unter besonderer Verwaltung gehalten wird. Ein solcher Schatz wurde früher von Herrschern im dynastischen Interesse (Perser, orientalische Fürsten) erhalten und war überhaupt von um so größerer Bedeutung, je unentwickelter der Staatskredit und das Staatsschuldenwesen war. In Preußen, wo Friedrich Wilhelm I. einen ansehnlichen S. bildete, mußten Etatsüberschüsse, sofern darüber nicht anderweit durch Gesetz verfügt war, in den S. abgeliefert werden, ohne daß für die Höhe eine Grenze gesetzt war. 1866 wurde, nachdem der vorhandene Schatz für Kriegszwecke verwendet worden war, ein neuer S. im Betrage von 90 Mill. Mk. gebildet. An dessen Stelle ist 1871 der Reichskriegsschatz (s. d.) im Betrage von 120 Mill. Mk. getreten. Die volkswirtschaftlichen, teilweise aus merkantilistischer Überschätzung des Geldes hervorgegangenen Bedenken, die man früher gegen den S. hegte, dahingehend, daß dadurch dem Verkehr produktives Kapital entzogen werde. halten nicht Stich gegenüber dem Bedürfnis, bei unvermutetem Ausbruch eines Krieges auf eine bereite Summe rasch zurückgreifen zu können, ohne durch sofortige Ausschreibung von Kriegssteuern Mißtrauen zu erregen oder sich der Gefahr auszusetzen, bei Auslegung eines Anlehens nicht die ganze gewünschte Summe zu erhalten oder dasselbe zu allzu niedrigem Kurs begeben zu müssen. Wie viele andre Güter, die für den Fall eines Bedürfnisses bereit gehalten werden müssen, ist der S., auch wenn er keine Zinsen trägt, keineswegs als totes Kapital zu betrachten, sobald er nur seinen Zweck erfüllt. Übrigens ist die Notwendigkeit der Ansammlung eines Staatsschatzes eine durchaus relative, indem sie durch die politische Stellung des Staates, Beschaffenheit des Staatsgebietes, Ausbildung des Kreditwesens etc. bedingt ist.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 811.
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