Staatswissenschaften

[816] Staatswissenschaften, im allgemeinen Bezeichnung für diejenigen Wissenschaften, deren Gegenstand der Staat ist. Sie sind teils erzählende und beschreibende (historische), teils erörternde (dogmatische), teils philosophische und teils politische. Zu der erstern Kategorie gehören die Statistik oder Staatenkunde, die dermalige Zustände und Einrichtungen schildert, und die Staatengeschichte. Die staatswissenschaftliche Dogmatik dagegen behandelt systematisch Zweck, Wesen und Eigenschaften des Staates und seine rechtlichen Beziehungen, und zwar sowohl diejenigen unter den Staaten selbst (Völkerrecht) als diejenigen zwischen der Staatsgewalt und den Staatsangehörigen sowie zwischen den letztern untereinander (Staatsrecht). Sie handelt ferner von den Mitteln zur Erreichung des Staatszweckes (Verwaltungsrecht, Polizei- und Finanzwissenschaft). Die dogmatische Staatswissenschaft hat einen gegebenen Staat und dessen positive Satzungen zum Gegenstand, während die Staatsphilosophie nicht das, was ist, sondern das, was nach der Staatsidee sein soll, ins Auge faßt, und so entsteht namentlich der Gegensatz zwischen positivem und allgemeinem philosophischen Staats- und Völkerrecht. Die politische Behandlungsweise endlich betrachtet den Staat, seine Mittel und seine Zwecke vom Standpunkte der Zweckmäßigkeit aus. Endlich zählt man zu den S. oder wenigstens zu ihren Hilfswissenschaften auch die Volkswirtschaftslehre in ihrem theoretischen und praktischen Teile sowie die allgemeine Statistik (s. Kameralwissenschaft). Vgl. »Handwörterbuch der S.« von Conrad, Elster, Lexis, Löning (2. Aufl., Jena 1898–1901, 7 Bde.); »Österreichisches Staatswörterbuch« von Mischler und Ulbrich (Wien 1894–1897, 2 Bde.; 2. Aufl. 1904 ff.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 816.
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