Stahlstich

[837] Stahlstich (Siderographie), die Vervielfältigung von Bildwerken mittels geschnittener Stahltafeln, 1820 von dem Engländer Charles Heath erfunden. Das Verfahren dabei ist folgendes. Stahlblöcke oder Platten werden dekarbonisiert, d. h. des Kohlenstoffes beraubt, und dadurch bis zu dem Grade erweicht, daß sie sich beim Stich der Figuren noch besser behandeln lassen als Kupfer. Das Verfahren beim Stich ist dasselbe wie bei dem auf Kupfer, nur bedient man sich auf Stahl seltener der kalten Nadel. Nach dem Stich wird durch ein chemisches Verfahren die Platte wieder gehärtet. Um den Stich auf andre Platten zu übertragen, schiebt man einen gleichfalls dekarbonisierten Zylinder von Stahl in die Übertragungspresse (transfer-press) und fährt damit über die eingeschnittenen Figuren der wieder gehärteten Stahlplatte hin. Die Einschnitte der Platte drücken sich hierbei dem Zylinder erhaben auf, und zwar wird es durch eine schwingende Bewegung der Presse und der Peripherie des Zylinders ermöglicht, daß sich immer eine neue Oberfläche zur Aufnahme des Stahlschnittes darbietet. Nachdem darauf der Zylinder ebenfalls gehärtet worden ist, drückt man damit auf neue dekarbonisierte Stahlplatten das ursprüngliche Bild der[837] Originalplatte auf und druckt diese wie gewöhnlich ab. Auf diese Weise kann das Bild ins Unendliche vervielfältigt werden, ohne daß sich die spätern Abdrücke von den ersten unterscheiden. Dennoch blieb für Kunstwerke höherer Gattung der Kupferstich in Geltung, da er größere Kraft, Sicherheit und Weichheit in der Linienführung gestattet, wogegen der S. besonders für solche Werke angewendet wurde, die einen starken Absatz versprechen, wie für Illustrationen, Veduten u. dgl. Der erste Stahlstecher in Deutschland war K. L. Frommel (s. d. 1) aus Karlsruhe. Seit der Erfindung der Galvanoplastik, welche die Abnahme von Klischees von Kupferplatten gestattet, und der Verstählung von Kupferplatten ist der S. ganz abgekommen. Vgl. Kupferstecherkunst.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 837-838.
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