Illustration

[760] Illustration (lat., »Erleuchtung, Erklärung, Verschönerung, Verherrlichung«) wird jetzt fast ausschließlich für die bildliche Erläuterung, den bildlichen Schmuck eines gedruckten Buches oder einer Zeitschrift gebraucht. Die Buchillustration in diesem Sinne, nämlich durch Holzschnitte, Kupferstiche, Radierungen, Bunt- und Lichtdrucke, farbige und getönte Heliogravüren, Zinkotypien, Autotypien etc., entspricht der alten Buchmalerei oder Miniatur (s. d.) wie die gedruckten Bücher den geschriebenen und hängt auf das engste mit der Buchdruckerkunst (s. d., S. 530) zusammen, welcher der Druck von Holztafeln vorausging. Die von solchen Tafeln gedruckten Bücher (Blockbücher, s. d., darunter die Biblia pauperum, s. d.) bieten wesentlich Bilder mit wenigem erläuternden Text, waren auch zunächst für »Ungelehrte«, d. h. Leute, die nicht lesen können, berechnet. Nach Erfindung des Letterndruckes stellte sich das umgekehrte Verhältnis wieder her, wie es zwischen dem Text und den Zeichnungen in den Handschriften bestanden hatte; man erläuterte den Text durch bildnisartige Darstellungen der Verfasser, z. B. der Evangelisten, durch Szenen aus dem Erzählten, und zierte ihn mit reich ornamentierten, häufig auch als Rahmen für Figürliches benutzten Anfangsbuchstaben (Initialen), mit Kopf- und Randleisten, mit Arabesken u. dgl. am Schluß eines Abschnittes (Finalstock, cul de lampe; s. Tafel »Buchschmuck II«, Fig. 1–5, 7–9, bei Artikel »Buch«). Die ältesten gedruckten Bücher mit Illustrationen sind von Albert Pfister in Bamberg (1461–62) hergestellt (eine »Biblia pauperum«, Boners »Edelstein« u. a.). Für diese Illustrationen wurde durchweg der Holzschnitt verwendet, weil allein dieser Zweig der graphischen Kunst die Einfügung der Bilder in den Letternsatz und den Druck mit diesem zugleich auf der Buchdruckpresse gestattete. Auf diese Weise untrennbar mit der Holzschneidekunst verwachsen, erlebte die I. mit dieser Blütezeit und Verfall. Den höchsten künstlerischen Aufschwung nahm sie im Reformationszeitalter, in dem sie zugleich ein wichtiges Mittel der Agitation und der Polemik für alle Parteien wurde. Hauptwerke in Deutschland sind: »Der Schatzbehalter« (1491) und Hartmann Schedels »Chronik« (1493; vgl. V. v. Loga, »Die Städteansichten in Hartmann Schedels Weltchronik«, Leipziger Dissert. 1888), beide in Nürnberg erschienen und mit zahlreichen Holzschnitten nach Michael Wolgemut; »Dürers Apokalypse« (1498); Hans Schäufeleins »Speculum passionis dom. n. J. Chr.« (1507) und Bilder zum »Theuerdank«, Burgkmairs Bilder zu den »Predigten Gaylers von Kaisersberg«, zum »Weißkunig«, zu Thomas Murners »Schelmenzunft« u. a. Hans Holbein lieferte zahlreiche Illustrationen zur Bibel, Titelblätter (s. Tafel »Buchschmuck I«, Fig. 1) und eine Fülle der reizendsten Initialen. Auch Lukas Cranach und die Kleinmeister waren vielfach für die Buchillustration tätig; einen besondern Zweig bildeten die kunstvoll ausgeführten Buchdruckerwappen oder Signete (s. Tafel »Buchschmuck II«, Fig. 6 u. 10). Die glänzendste Leistung der frühesten italienischen I. sind die Holzschnitte zur »Hypnerotomachia Poliphili« (Vened. 1499); im Anfang des 16. Jahrh. war vorzüglich Zoan Andrea tätig (vgl. Duc de Rivoli, Bibliographie des livres à figures vénitiens de la fin du XV. siècle et du commencement du XVI., Par. 1892). Zu Ende des 15. Jahrh. begann man auch den Kupferstich für die Buchillustration zu verwenden. Als ältestes original-französisches Illustrationswerk betrachtet man »Le procès de Belial« (Lyon 1481). In der Zeit des Verfalles des Holzschnittes wurde dieser immer mehr auf die I. der wohlfeilsten Volksliteratur beschränkt, während künstlerischen Tendenzen der Kupferstich diente; gestochene Vignetten wurden im 18. Jahrh. auf ganz dünnes Papier gedruckt und dann in den Text eingeklebt oder auch in die leer gelassenen Stellen des Textes eingedruckt, so daß ein solcher Druckbogen zweimal durch die Presse gehen mußte.

Die englischen »Pfennigmagazine« (seit 1832), die Vorläufer der heutigen illustrierten Zeitungen, und die Bestrebungen des Deutschen Gubitz (s. d.) riefen den Sinn für Holzschnittillustrationen in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. wieder wach, und durch das Auftreten von Ludwig Richter (Zeichnungen für O. Wigands Volksbücherausgaben, dann zu Musäus' Volksmärchen, zu Kinderbüchern etc.) und Adolf Menzel (zu Kuglers »Leben Friedrichs d. Gr.«) in Deutschland, Horace Vernet, Bellangé, Raffet (»Leben Napoleons«, »Die Soldaten des Kaiserreichs« etc.), Tony Johannot (»Don Quichotte« etc.), Grandville u. a. in Frankreich, durch die Zeichner des Londoner »Punch« etc. wurde dieser Bewegung wieder eine künstlerische Richtung gegeben (s. Holzschneidekunst, S. 508). Seit der Mitte der 40er Jahre des 19. Jahrh. gewann durch die Gründung großer und kleiner illustrierter Wochenblätter an allen Orten und durch die Bildung von Holzschnittschulen in allen Kunststädten das Illustrationswesen eine ungeheure Ausdehnung, welche die buchhändlerische Spekulation ins Krankhafte gesteigert hat, so daß die I. nicht mehr zur Erläuterung des Textes dient, sondern der Endzweck geworden ist. Die illustrierten Zeitungen und die sogen. »Prachtwerke« leiten uns allmählich wieder zu dem Ausgangspunkt zurück, indem sie das Bild zur Hauptsache machen, das ohne Gefahr von dem »begleitenden« Text ganz losgelöst werden kann, so daß sie vielfach, anstatt das geschriebene Wort zu verdeutlichen und zu versinnlichen, der müßigen Schaulust Vorschub leisten. Noch gesteigert wurde die Tendenz, die I. zur Hauptsache zu machen, durch die Vervollkommnung der photomechanischen Reproduktionsverfahren, insbes. der Autotypie, die den teuern Holzschnitt wieder mehr in den Hintergrund drängte. Die namhaftesten illustrierten Zeitungen Deutschlands sind: die 1843 von J. J. Weber in Leipzig begründete »Illustrierte Zeitung« (s. unten, S. 761), die »Fliegenden Blätter« (Münch., Braun u. Schneider, seit 1845), »Die Gartenlaube« (Leipz., 1853 von E. Keil begründet), »Über Land und Meer« (Stuttg., 1858 von E. Hallberger begründet),[760] »Daheim« (Leipz., seit 1864 von Velhagen u. Klasing herausgegeben), die »Moderne Kunst« (Berl., seit 1886), die »Meggendorfer Blätter« (Münch., seit 1889), die »Berliner illustrierte Zeitung« (seit 1892), »Die Woche« (Berl., seit 1899); daneben »Westermanns Illustrierte deutsche Monatshefte« (Braunschweig, seit 1856), die Monatsschrift »Vom Fels zum Meer« (als Wochenausgabe »Die weite Welt«, Stuttg., seit 1881; jetzt Berl.), »Universum« (Dresd., seit 1884), »Belhagen und Klasings Monatshefte« (Leipz., seit 1886). Von den illustrierten Zeitschriften des Auslandes sind die hervorragendsten: die »Illustrated London News«, die älteste illustrierte Zeitschrift (seit 1842), nach deren Vorbild »L'Illustration« in Paris und die Leipziger »Illustrierte Zeitung« gegründet wurden, die ebenfalls in London erscheinenden »Graphic«, »Black and White«, »Sphere«, »Sketch«, ferner »Le Monde illustré«, »Le Journal illustré«, »La France illustrée«, »La Vie Parisienne«, »Le Journal amusant«, »Figaro illustré« (sämtlich in Paris erscheinend), »L'Illustration européenne« (Brüssel), »L'Illustrazione italiana« (Mailand) und »Harpers Weekly« (New York). Außerdem sind zu nennen: »Zlata Praha« (»Goldenes Prag«, in Prag), die »Hollandsche Illustratie« (Amsterdam), die »Nederlandsche Illustratie« (Utrecht), »La Tribuna illustrata« (Rom), »Illustración Española y Americana« und »Illustración nacional« (beide in Madrid), die »Illustreret Tidende« und das »Illustreret Familie-Journal« (beide in Kopenhagen), die »Ny illustrerad Tidning« (Stockholm), die »Wsemirnaja Illustrazija« (»Illustrierte Zeitung«, in Petersburg). In fast allen Kulturländern erscheinen jetzt auch mehrere hundert illustrierte Monatshefte, die alle mehr oder weniger dem Vorbilde von »Sribeners Monthly« (New York) nachgebildet sind. Endlich erscheint auch nach dem Vorgange des »Daily Graphic« (s. Graphic) eine große Zahl von Tagesblättern mit Illustrationen (»Illustriertes Extrablatt« in Wien, »Der Tag« in Berlin u. a. m.). Über die illustrierten Witzblätter s. Karikatur, über die Modezeitungen s. Mode. Vgl. Weisbach, Die Basler Buchillustration des 15. Jahrhunderts (Straßb. 1897); die von G. Hirth in München seit 1880 herausgegebene »Liebhaber-Bibliothek alter Illustratoren in Faksimile-Reproduktion« (noch im Erscheinen); Muther, Die deutsche Bücherillustration der Gotik und Frührenaissance 1460–1530 (Münch. 1884, 2 Bde.); Kristeller, Die Straßburger Bücherillustration im 15. und im Anfang des 16. Jahrhunderts (Leipz. 1888); Kutschmann, Geschichte der deutschen I. (Berl. 1900, 2 Bde.); Pennell, Modern illustration (Lond. 1898; deutsch von Burger, Leipz. 1901); Kautzsch, Die deutsche I. (das. 1903); Blackburn, Art of illustration (Lond. 1901); W. Crane, Of the decorative illustration of books old and new (2. Aufl., das. 1901; deutsch, Leipz. 1901); M. Jackson, »The pictorial press, its origin and progress« (Lond. 1884); Weiteres im Artikel »Graphische Künste«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 760-761.
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