Steckbrief

[881] Steckbrief, öffentliches Ersuchen um Festnahme einer zu verhaftenden Person, die eines Verbrechens oder Vergehens beschuldigt oder flüchtig ist, oder aber eine ihr zuerkannte Freiheitsstrafe nicht antritt. Nach der deutschen Strafprozeßordnung (§ 131 und 489) können Steckbriefe von dem Richter sowie von der Staatsanwaltschaft auf Grund eines Haftbefehls erlassen werden. Ohne vorgängigen Haftbefehl ist eine steckbriefliche Verfolgung nur statt hast, wenn ein Festgenommener aus dem Gefängnis entweicht oder sonst sich der Bewachung entzieht. In diesem Falle sind auch die Polizeibehörden zum Erlaß des Steckbriefes befugt. Der S. muß eine Beschreibung der Person des Verfolgten (Signalement, vgl. Bertillonsches System), soweit dies möglich. enthalten sowie die demselben zur Last gelegte strafbare Handlung und das Gefängnis bezeichnen, in das die Ablieferung zu erfolgen hat, wofern nicht wegen der Abholung des Festgenommenen eine Nachricht erbeten wird. Die Veröffentlichung erfolgt durch die Presse oder auch durch Anschlag (Plakatsäulen). Ist ein S. unnötig geworden, so erfolgt dessen Widerruf (Steckbriefserledigung) auf demselben Wege, auf dem er erlassen ist. Vgl. noch § 132 der deutschen Strafprozeßordnung. Die österreichische Strafprozeßordnung (§ 59, 414, 416–418421 u. 452) stimmt damit überein, doch steht Erlassung eines Steckbriefes nicht dem Staatsanwalt, sondern stets nur dem Gericht (regelmäßig der Ratskammer, nur in dringenden Fällen dem Untersuchungsrichter) zu. Als Voraussetzung tritt an Stelle eines Haftbefehls dringender Verdacht, das Verbrechen begangen zu haben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 881.
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