Tinos

[560] Tinos (Tenos), Insel im Griechischen Archipel, bildet eine zum Nomos der Kykladen gehörige Eparchie, südöstlich von Andros, 204 qkm mit (1896) 12,300 griechischen, aber vielfach mit italienischem Blut gemischten Einwohnern (davon ein Drittel römisch-katholisch). T. ist eine durch die Erosion vielfach zerschnittene alte Rumpffläche. Sie wird der Länge nach von einer im Tsiknias 713 m (nach andrer Angabe 685 m) hohen Gebirgskette durchzogen und besteht aus Gneis und Glimmerschiefer mit Marmoreinlagerungen, ferner aus Granit und aus Hornblendegesteinen, die stellenweise in mächtige, unfruchtbare Serpentinmassen übergehen. Die Insel besitzt zwei leidlich gute Häfen, Tinos im S. und Panormos im N. Die Einwohner treiben Wein- und Seidenbau, Seidenweberei und -Spinnerei und Marmorverarbeitung, deren Mittelpunkt Pyrgos ist. Sehr stark betrieben wird die Taubenzucht, des Fleisches und des Düngers wegen, weshalb zahlreiche Taubentürme zur Charakteristik des Landschaftsbildes gehören. T. ist im allgemeinen wenig fruchtbar, aber durch ausgedehnten Terrassenbau sehr ausgenutzt. Vornehmlich werden Getreide, Hülsenfrüchte und Wein angebaut; auch die Pferde-, Maultier- und Rinderzucht ist nicht unbedeutend. Eine Anzahl römisch-katholischer Dörfer liegt im fruchtbarsten Teile der Insel, der deswegen als Frankochora bezeichnet wird. Die katholische Kirche unterhält auf T. treffliche Volksschulen und Erziehungsanstalten. Die Hauptstadt T., an der Südküste, ist Sitz eines römisch-katholischen Bischofs, Dampferlandeplatz, hat 2 kath. Kirchen und (1896) 2415 Einw. Nördlich darüber liegt die berühmte Wallfahrtskirche Panagia Evangelistria, der besuchteste Wallfahrtsort der orthodoxen Griechen, wo drei Wochen vor Ostern von weither 30–40,000 Pilger zusammenströmen. – Die Insel T. hieß früher Ophiussa, dann Tenos. Als Bundesgenossen der Athener kämpften die Tenier bei Platää gegen die Perser, nachdem schon vor Salamis eins ihrer Schiffe zu den Griechen übergegangen war. Während des Peloponnesischen Krieges mußte T. nach Athen Steuern zahlen. Nach Auflösung des byzantinischen Reiches kam es 1207 unter die Herrschaft der Ghizi, dann 1390 der Venezianer, 1718 von neuem unter türkische Oberhoheit, durch den griechischen Befreiungskampf an Hellas. Vgl. Philippson, Beiträge zur Kenntnis der griechischen Inselwelt (Ergänzungsheft 134 zu Petermanns Mitteilungen, Gotha 1901).[560]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 560-561.
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