Vienne [3]

[153] Vienne (spr. wjenn'), 1) Arrondissementshauptstadt im franz. Depart. Isère, 150 m ü. M., am linken Ufer der Rhone, die hier die Gere aufnimmt, und über die eine Hängebrücke nach dem gegenüberliegenden Ste.-Colombe führt, an der Lyoner Bahn, hat meist enge Straßen, aber einen neuen, stattlichen Kai, eine ehemalige Kathedrale (St. Maurice, ein schöner gotischer Bau von 1190–1251, mit reicher Fassade von 1533), eine romanische Abteikirche St.-Pierre, in der gegenwärtig das Musée Lapidaire (mit antiken Baufragmenten, Meilensteinen, Votivtafeln, Vasen etc.) untergebracht ist, ein modernes Stadthaus, ein Denkmal Ponsards und (1906) 22,873 (als Gemeinde 24,887) Einw. Erwerbszweige sind Wollspinnerei, Fabrikation von Tuch und andern Wollenstoffen, Stahl- und Eisenwaren, Maschinen, Papier, Leder, Seife etc., Weinbau und Handel. V. ist Sitz eines Gerichtshofs, eines Handels- und Arbeiterschiedsgerichts, einer Handels- und einer Ackerbaukammer, einer Filiale der Bank von Frankreich; es hat ein Kommunalcollège, eine Zeichenschule, eine Handels- und Gewerbeschule, eine Bibliothek (25,000 Bände), ein Museum und ein Theater. Die Stadt enthält an Überresten aus der Römerzeit den wohlerhaltenen Tempel des Augustus und der Livia (korinthischer Ordnung, 27 m lang, 15 m breit, 17 m hoch), eine 15,5 m hohe Pyramide (Plan de l'Aiguille) auf einem viereckigen Portikus (Rest der Spina des Zirkus), zwei Arkaden (wahrscheinlich vom antiken Theater) u. a. Die umliegenden Höhen sind von Schloßruinen sowie von einer Kolossalstatue der heiligen Jungfrau gekrönt. – Die alte Stadt Vienna, im transalpinischen Gallien, war als Hauptstadt der Allobroger schon im 3. Jahrh. v. Chr. ein blühender Ort, ward unter Kaiser Claudius die Residenz des Präfekten des narbonensischen Gallien, endlich unter Diokletian Hauptstadt von Gallia Viennensis. Valentinian II. fand hier 392 seinen Tod. Um 450 wurde V. die Hauptstadt des burgundischen Reiches und 534 von den Franken erobert, 879 wieder Hauptstadt des zisjuranischen Burgund, dann Hauptort einer Grafschaft Viennois,[153] die zum Dauphiné gehörte, aber erst 1448 an Frankreich fiel. Hier wurden mehrere Konzile gehalten: 1112 wurde Kaiser Heinrich V. wegen des von ihm beanspruchten Investiturrechts in den Bann getan und 1311 durch das 16. ökumenische Konzil der Tempelherrenorden aufgehoben. Das schon in der ersten Christenzeit entstandene Erzbistum wurde 1801 aufgehoben. Vgl. Rey, Monuments de V. (1828); Allmer, Inscriptions antiques et du moyen-âge de V. (mit A. de Terrebasse, Vienne 1876, 6 Bde.); Schneyder (1733–1814), Histoire des antiquités de la ville de V. (das. 1881); Fournier, Le royaume d'Arles et de V. (Par. 1896); Bazin, V. et Lyon gallo-romains (das. 1901); Reymond, Grenoble et V. (das. 1907). – 2) (V.-en- Ardenne) s. Vianden. – 3) Franz. Name für Wien; daher: vert de V., Wienergrün (s. Schweinfurtergrün).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 153-154.
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