Fünfte Familie: Panzerwangen (Cataphracti)

[55] Panzerwangen (Cataphracti) nennt man Fische, bei denen die Knochen des unteren Augenrandringes nach abwärts verbreitert, mit dem Vordeckel durch Gelenk verbunden und wie die Deckelstücke und der Kopf mehr oder weniger, das heißt sehr verschiedenartig, bedornt sind. Der Gesichtsausdruck der Panzerwangen erhält durch die vielfachen Rauhigkeiten, welche, falls sie zu Dornen sich entwickelt haben, als tüchtige Waffen dienen, etwas höchst eigenthümliches, wozu noch außerdem die mehr oder minder auffallende Bildung der Flossen und ebenso der Schuppen kommt. Der Rückentheil ist entweder mit zwei Rückenflossen ausgestattet, oder die einzige Flosse zerfällt in zwei Abtheilungen; die Bauchflossen sind brustständig. Schwache, hechelförmige, selten kegelförmige Zähne bewehren die Kiefer. Eine Schwimmblase fehlt nicht selten.

Mit Ausnahme der Glieder einer einzigen Sippe leben alle Panzerwangen im Meere und zwar in sehr verschiedener Tiefe desselben, die einen regelmäßig auf dem Grunde, die anderen dann und wann auch in höheren Wasserschichten, über welche sie sich zuweilen »fliegend« erheben. Für gewöhnlich liegen sie träge und bewegungslos, mehr oder weniger im Schlamme oder Sande eingebettet, auch wohl in Klüften und Felsenspalten verborgen, auf dem Grunde des Gewässers und harren in dieser Stellung vorüberziehender Beute. Naht solche, so erheben sie sich, eilen, den dicken Vorderleib durch schlängelnde Bewegungen des Schwanzes vorwärts schiebend, auf das erspähte Opfer zu, bergen es in ihrem oft unverhältnismäßig großen Rachen und sinken langsam wieder zum Boden herab. Auch sie sind fähig, ihre Färbung der ihrer Umgebung anzupassen, und diejenigen [55] unter ihnen, welche mit scharfen Dornen bewehrt sind, wer den infolge ihres Anpassungsvermögens auch barfüßig ihr Gebiet betretenden Menschen gefährlich. Einzelne Arten sind aus diesem Grunde mehr als alle übrigen Fische gefürchtet. So lebt im Rothen Meere eine zur Gruppe der Drachenköpfe gehörige Art der Familie, der Zauberfisch (Synanceja verrucosa), welcher die arabischen Fischer ähnliche Eigenschaften zusprechen, wie sie die Viper besitzt. Auch diese Panzerwange sitzt, nach gewohnter Art zwischen Steinen und Seegras versteckt, unbeweglich auf dem Grunde und ahmt die Umgebung so getreulich nach, daß der betretende Fischer ihrer oft nicht eher gewahr wird, als bis er auf sie getreten ist und sie, plötzlich auffahrend, ihm mit ihren Stacheln eine äußerst schmerzhafte Wunde beigebracht hat. »Der Stich ihrer Rückenstacheln« sagt Klunzinger, »schmerzt mehrere Stunden lang und heftiger als ein Skorpionstich, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Manche Personen sollen schon ohnmächtig dadurch geworden sein; ja, es kam, wie die Leute erzählen, auch einmal ein Todesfall vor, wenn auch nicht unmittelbar durch den Stich, so doch durch Brandigwerden der wohl schlecht behandelten Wunde. Jedenfalls darf man diesen Fisch ebenso gut zu den giftigen Thieren rechnen wie den Skorpion. Ein mir als wahrheitsliebend bekannter Fischer versichert, deutlich gesehen zu haben, wie beim Vorstülpen der Stachelspitzen, welche in einer Hautfalte liegen, eine milchige oder eiterige Flüssigkeit aus der jene einhüllenden Haut hervorgequollen sei. Ich habe trotz öfterer Beobachtung so etwas nicht gefunden; würde die Beobachtung des Fischers aber sich bestätigen, so läge ein offenbarer, den Furchenzähnen der Giftschlangen zu vergleichender Giftstachel vor.« Ueber die Fortpflanzung der Panzerwangen ist noch wenig bekannt, die Lebensweise überhaupt noch keineswegs erforscht. In der Fischerei spielen alle Arten nur eine untergeordnete Rolle.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 55-56.
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