Casus

[758] Casus (lat.), 1) Zufall; 2) so v.w. Fall; daher C. conscientiae, Gewissensfall, s.u. Casuistik; C. vabĭlis, ein angegebener, angenommener Rechtsfall; C. emergens, ein Umstand, durch dessen Eintritt auf einmal ein anhängiger Proceß eine andere Wendung nimmt; 3) (Gramm.), Beugefall od. die Veränderungen, welche am Ende des Stammes od. am Stammvocal eines Nomens vorgenommen werden können, damit die verschiedenen Verhältnisse der Objecte zu dem Subjecte in dem Satze angezeigt werden können. Die C. sind nicht in allen Sprachen in gleicher Anzahl vorhanden, die der Lateinischen Sprache sind: b) Nominativus (Rennfall), gibt das Subject des Satzes an u. dient zur Benennung einer Sache überhaupt, ohne ihre Beziehung; D) Vocativus (Ruffall), zeigt eine Anrede od. einen Zuruf an (ist eigentlich kein Casus); c) der Accusativus (Anklage-, Zielfall), zeigt das Object od. das Ziel an, worauf eine Handlung zunächst u. direct gerichtet ist; d) Dativus (Gebe-, Zweckfall), drückt die Beziehung aus, in welcher ein Substantiv zu einer Handlung steht, zeigt z.B. wem, für wen, wozu, wem zum Nutzen od. Schaden etwas ist od. geschieht; e) Genitivus (Beschränkungs-, Besitz-, Gattungsfall), gibt ein den Hauptbegriff beschränkendes Merkmal od. auch die höhere Gattung desselben an; f) Ablativus (Nehmfall), bestimmt das Verhältniß der Trennung u. Absonderung zweier Gegenstände; in der Lateinischen Sprache bezeichnet er auch noch das Mittel (womit, wodurch), die Zeit (wann), den Ort (wo), den Grund (warum, weshalb), die Art u. Weise (wie) etwas geschieht; in den Indischen u. anderen verwandten Sprachen sind fast für alle diese Beziehungen verschiedene C.; g) Instrumentalis, welcher das Mittel, h) Locativus, welcher den Ort (wo) anzeigt. In andern Sprachen hat man noch andere angenommen, z.B. in der Armenischen den Narrativus. welcher die Person od. Sache anzeigt, über welche etwas erzählt wird u.a. Bes. reich an C. sind die Finnischen Sprachen, so hat das Mordwinische noch einen Allativ (woran?), Illativ (worein?), Adessiv (woran? ruhend), Inessiv (worin?), Elativ (woraus?), Caritiv (ohne...), Temporalis (wann?). Von diesen C. heißen der Nominativus u. Vocativus Casus recti, unabhängige, weil sie nicht von andern Satztheilen abhängen, die übrigen Casus obliqui (Casus conversi), abhängige, weil sie in untergeordnetem Verhältniß zu andern Satztheilen stehen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 758.
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