Doketen

[221] Doketen (v. gr.), diejenigen christlichen Häretiker, welche Christo während seines Lebens auf Erden keinen wirklichen, natürlichen, sondern nur einen Scheinkörper zuschrieben, sie heißen deshalb auch Phantasiasten, Phantasiodoketen, Opinarii, Opinati. Diese Ansicht findet sich schon bei den verschiedensten häretischen Secten der ersten Jahrhunderte. Der Ursprung derselben ist in den griechischen, jüdisch-alexandrinischen u. namentlich orientalischen Philosophumenen von der Unvollkommenheit od. gar Bösartigkeit der Materie zu suchen; so finden sich Spuren des jüdischen Doketismus bei Philo, des christlichen, wenn nicht schon in den Johanneischen Schriften (z.B. Joh. 1,14), doch sicher in den Briefen des Ignatius, der dagegen kämpft. Der Doketismus war bei den verschiedenen häretischen Parteien sehr modificirt u. findet sich bes. bei den Gnostikern u. den Manichäern, indeß auch in milder Gestalt bei orthodoxen Kirchenlehrern. Er scheidet sich in 2 Hauptrichtungen: die strengere verwarf jeden wirklichen Körper Christi u. lehrte, Christus sei nicht, wie andere Menschen, von Maria empfangen u. geboren, da dies nicht ohne Einwirkung der bösen Materie hätte geschehen können, er habe nur scheinbar gegessen u. getrunken u. sei nur scheinbar gekreuzigt worden; sie läugneten daher auch die Auferstehung u. Himmelfahrt. Einige meinten, es sei ein Anderer für Christus gekreuzigt worden. Zu dieser Hauptrichtung gehörten Dositheus, Saturninus, Cerdo, Marcion, Cassianus u. ihre Schüler, die Ophiten, Manichäer u. A. Die andere, mildere doketische Ansicht legte Christo zwar einen Körper, aber einen ätherischen, himmlischen, statt eines wahrhaft menschlichen bei, so namentlich Valentinus, Bardesanes, Basilides. Tatianus u. ihre Anhänger, die aber auch wieder verschiedene Ansichten über die Art u. den Grad der Theilnahme dieses Körpers an den Thaten u. Leiden Jesu hatten. Auch die Alexandrinische Schule, Clemens u. Origenes an ihrer Spitze, nahm einen seinen Körper Christi an, u. in den Monophysitischen Streitigkeiten zeigt sich der Doketismus, so bei den Anhängern des Julian von Halikarnaß, welche Aphthartodoketen genannt werden, s. Monophysiten. Doketische Meinungen finden sich auch in den späteren Jahrhunderten, so bei den manichäisirenden Priscillianisten, bes. bei den Bogomilen, ja selbst bei vielen Katharern, u. nach der Reformation wenigstens verwandte Ansichten bei Jak. Böhm, welcher Jesu ein himmlisches Fleisch zuschreibt, u. Menno Simonis mit einem Theile der Wiedertäufer. Vgl. Niemeyer, De Docetis, Halle 1823.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 221.
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