Engădin

[694] Engădin, Thal. im Schweizercanton Graubündten, vom Inn durchströmt u. von den Quellen dieses Flusses am Malojapasse bis zur Tyroler Grenze bei Finstermünz sich etwa 9 Meilen weit erstreckend. Die Thalsohle liegt am Malojapasse 5710 Fuß, an der Tyroler Grenze 3140 Fuß über dem Meere. Im Norden begrenzen das Thal die Gebirgszüge des Albula u. Selvretta, auf der Südseite der Bernina, alle zahlreiche (55) Gletscher gegen das Thal vorschiebend; an Seitenthälern zählt man 25, aus denen der Inn ebensoviel Zuflüsse erhält; die landschaftlichen Reize des E. werden noch erhöht durch die vielen Seen, welche der Inn in seinem oberen Laufe bildet, durch die stattlichen Dörfer an seinen Ufern u. die ansehnlichen Wälder, welche noch jetzt vereinzelten Bären zum Aufenthalt dienen; das Thal hat einen langen, kalten Winter u. einen kurzen, heißen Sommer; Ober-E., welches bis Zernetz, am Einfluß des Spöl in den Inn reicht, hat 2750 reformirte Ew., welche Alpenwurthschaft treiben; Unter-E., 6500 reformirte Ew., ebenfalls Alpenwirthschaft u. etwas Ackerbau treibend, da hier schon Roggen u. Gerste gedeiht. In jüngeren Jahren pflegen die Engadiner ins Ausland zu gehen u. in den größeren Städten Europas als Cafetiers u. Zuckerbäcker ihr Fortkommen zu suchen; im Alter kehren sie gewöhnlich mit dem Erworbenen in das Thal zurück, weshalb in demselben ein solider Wohlstand herrscht. Sie sprechen einen eigenthümlichen romanischen Dialekt (Ladin). Vgl. Pallioppi, Ortografia et ortoëpia del idiom romauntsch d'Engiadinota etc., Chur 1857._– Vor Alters wohnten im E. die Vennoner u. Saruneter. Ober-E. hatte eigene Grafen; Graf Dedalrich verkaufte 1139 sein Land an den Bischof von Chur, aber 1494 kauften sich die Ober-Engadiner wieder frei. Nieder-E. gehörte vier Herren, nämlich dem Bischof von Chur, dem Grafen von Tyrol der Abtei des Berges u. dem Kloster Münster. 1499 machten Tyroler u. Etschländer einen Einfall in E. u. verwüsteten das. Land. In dem Veltliner Kriege wurde es von den Österreichern verwüstet, u. 1622 mußte Bündten das E. an Österreich abtreten, doch wurde es 1623 an Bündten zurückgegeben. Vgl. Papon, Engadin, St. Gallen 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 694.
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