Gall

[861] Gall, 1) Nicolaus, s. Gallus; 2) G., geb. 1748 in Weil, war Katechet an der Normalschule in Wien, wurde 1778 k. k. Hofcaplan, 1779 Pfarrer in Burg-Schleinitz, 1787 Domherr u. Scholarch der Metropolitankirche in Wien, 1788 Bischof in Linz u. st. 1807; er schr.: Sokrates unter den Christen, Wien, 1784, 3 Bdchn.; Sonn- u. sesttägliche Evangelien, Wien 1782–84,2 Hefte; Andachtsübungen, Gebräuche, u. Ceremonien der katholischen Kirche, ebd. 1799 u.a.m. 3) Franz Joseph, geb. 9. März 1758 zu Tiefenbronn im Württembergischen; war erst praktischer Arzt in [861] Wien bis 1805, von wo er es unternahm, seine anatomisch-physiologische Lehre (Galls Schädellehre, Kranioskopie, s.u. Phrenologie) durch Vorträge darüber zu verbreiten. Er machte dann Reisen in Frankreich u. Deutschland u. fixirte sich 1808 als praktischer Arzt in Paris, wo er, in Verbindung mit seinem Schüler Spurzheim, seine Lehre noch mehr ausbildete. Seit 1823 hielt er darüber Vorlesungen in Paris, so wie auch in London u. Deutschland, die neues Aufsehen machten. Er st. 22. Aug. 1828 in Montrouge bei Paris u. schr.: Philosophischmedicinische Untersuchungen über Natur u. Kunst im kranken u. gefunden Zustande des Menschen, Wien 1791, 2 Thle. (mit neuem Titel, Lpz. 1800); Introduction au cours de physiologie du cerveau, Par. 1808; (mit Spurzheim) Mém. concernant les recherches sur le système nerveux, Paris u. Strasburg 1809, deutsch, ebd.; Des dispositions innées de l'ame et de l'esprit, ebd. 1812; (mit Spurzheim) Anatomie et physiologie du système nerveux, Par. 1810–20, 4 Bde., 2. A. 1822–25, 6 Bde. nebst Atlas von 180 Kupfertafeln (Hauptwerk); Sur les fonctions du cerveau et sur celles de chacune de ses parties, ebd. 1822, 2 Bde. 4) Heinrich Ludwig Lampert, geb. 28. Dec. 1790 in Aldenhoven bei Jülich, war 1811–13 Untergerichtsschreiber in Cleve u. Düsseldorf, nach der Schlacht von Leipzig erster Commis in dem Bureaux des inspecteurs aux revues im Generalstabe von Macdonald in Cleve, dann Generalsecretär in Luxemburg u. Kreuznach, wo er in der österreichisch-baierischen Administrationscommission arbeitete; 1816 wurde er Regierungssecretär in Trier, wo er sich während der großen Getreidetheuerung 1816 u. 1817 durch Linderung der Hungersnoth sehr verdient machte; als Techniker trat er zuerst 1817 auf, wo er eine Dampfbrennerei construirte u. sein Haus mit Gas erleuchtete; 1818 übernahm er das Commissariat einer Auswanderungsgesellschaft in Bonn, ging 1819 nach Nordamerika, kehrte aber schon 1820 wieder zurück; 1823 wurde er Kreissecretär in Trier, 1825 solcher in Wetzlar; 1826 erfand er die verschlossene Gährung bei der Weingährung mittelst Gasröhren, sowie ein Verfahren in einem Apparat zur Tresterweinbereitung; 1828 das Verfahren, die überschüssige Säure des Tresterweines durch Wasser zu verdünnen u. den fehlenden Zuckergehalt durch Zuckerzusatz zu ersetzen; 1831 einen Dampfapparat zur Erregung von Schweiß bei Choleraanfällen u. ein Verfahren zur Schnellgerbung; 1834 ging er nach Galizien u. 1836 nach Ungarn, wo er auf dem Gute des Baron Ghillany eine Versuchs- u. Lehranstalt mit Werkstätten zur Anfertigung von Destillirgeräthen errichtete; 1839 trat er in die Dienste des Baron Eötvös als Oberinspector der landwirthschaftlichtechnischen Gewerbe, führte auch 1842 die Dampfwäsche ein, wozu er einen besonderen Apparat erfand; 1849 kehrte er nach Trier zurück, wo er sich, nit der Erfindung u. Verbesserung technischer Apparate. mit der Weinverbesserung u. Schriftstellerei beschäftigte. Unter anderen erfand er einen Futterdämpfapparat, einen tragbaren Dampferzeuger zum Kochen, Reinigen der Fässer, Waschen etc., rauchverzehrende Dampfkesselösen; 1852 lehrte er, aus sauren Trauben angenehme Weine zu bereiten u. fertige geringe Weine durch nene Gährung sehr zu verbessern (s. Gallisiren). Sein Verfahren fand bald Eingang bei den Weinproducenten der Pfalz u. wurde von Lieb ig als eine wichtige Erfindung bezeichnet; trotzdem erklärten es die Behörden der Pfalz für Weinverfälschung, confiscirten den so zubereiteten Wein u. verfügten dessen Wegschüttung. Deshalb richtete G. in seiner Zeitschrift: Praktische Mittheilungen zur Förderung eines rationellen Betriebes der technischen Gewerbe, ein offenes Sendschreiben an den König von Baiern, in dem er sich gegen das Verfahren der Pfälzer Behörden beklagte, weil es die Wissenschaft u. den Wohlstand der Weinbauer darniederdrücke. In Folge davon wurde G. von den Pfälzer Behörden verfolgt u. auf Requisition derselben in Stuttgart, wo er sich zur Begründung des Allgemeinen deutschen Telegraphen aufhielt. im Novbr. 1857 verhaftet, entfloh aber aus dem Gefängniß. Von dem rheinbaierischen Assisenhofe wurde er in contumaciam zu Gefängniß- u. Geldstrafe verurtheilt. Er schr.: Meine Auswanderung u. meine Heimkehr, Trier 1822, 2 Bde; Technische Mittheilungen aus dem Gebiete der Erfahrung, ebd. 1824–31, 2 Bde.; Immerwährende Getreidelagerung, um jeder Noth des Mangels u. des Überflusses auf immer vorzubeugen, ebd. 1825; Anleitung für den Landmann zur Syrup- u. Zuckerbereitung aus Kartoffeln, ebd. 1825; Über die Verbesserung der Weine, der Obstweine u. des Bieres u. Erhöhung der Branntweinausbeute aus Trestern etc., ebd. 1826; Über die Verbesserung der Weine u. des Bieres durch verschlossene Gährung, ebd. 1826; Die Branntweinbrennerei mittelst Wasserdämpfen, ebd. 1830; Neuer u. eigenthümlicher Dampfdestillirapparat, ebd. 1830; Anweisung zum Frnchtmeischen mittelst Wasserdampf, ebd. 1832; Der Gallsche od. rheinländische Dampf-Brennapparat in seiner höchsten Vereinfachung, ebd. 1834; Vorschläge zur Errichtung von Versuchs- u. Lehranstalten für die landwirthschaftlich-technischen Gewerbe etc., ebd. 1835; Verfahren die Gährungsgefäße dauernd gegen Säuerung, zu schützen, ebd. 1836; Die Dampfwäsche, Pesth 1842; Die brennstoffersparenden Dampferzeuger, Trier 1850; Praktische Anleitung sehr gute Mittelweine aus unreifen Trauben u. vortreffliche Rheinweine aus den Trestern zu bereiten, ebd. 1854, 2 Hefte; Nachricht über mein Weinbereitungs- u. Weinveredelungsverfahren, ebd. 1854; Die Füllflasche u. deren Anwendung als ficherstes Mittel die Ausbildung der Weine zu befördern, ebd. 1854; Verbesserung an Stubenöfen, wodurch 1/3 an Brennstoff erspart wird, ebd 1854; Darstellung des Systems von rauchverzehrenden Dampfapparaten, ebd. 1855; Chaptal's u. Gall's Weinbereitungsmethoden vor dem Gesetz, ebd. 1858. Außerdem gibt er drei Zeitschriften heraus: Das Neueste u. Nützlichste, Trier 1850 ff.; Praktische Mittheilungen zur Förderung des landwirthschaftlichen Gewerbes, ebd. 1856 ff.; Allgemeiner Deutscher Telegraph, Stuttgart 1856 ff.; 5) Ferdinand, Freiherr von G., geb. 13. October 1809 in Battenberg (Großherzogthum Hessen), studirte 1826–30 die Rechtswissenschaften u. trat 1834 in Oldenburgische Dienste: er wurde 1842 Intendant des Hoftheaters in Oldenburg u. ging in gleicher Eigenschaft 1846 nach Stuttgart. In Folge seiner Bemühungen wurde der Deutsche Bühnenverein gegründet, dessen [862] Präsident er 1852 wurde. Er schr.: Reise durch Schweden im Sommer 1836, Brem. 1838, 2 Bde.; Paris u. seine Salons (Beobachtungen während seines Aufenthalts in den Jahren 1837–38 in Paris), Oldenb. 1844 f., 2 Bde; Der Bühnenvorstand, ebd. 1844; Vorschläge zu einem deutschen Theatercartell, ebd. 1845. Er ist auch Gründer des Centralorgans für deutsche Bühnen. 6) Louise von G., Gattin des Dichters Levin Schücking, s.u. Schüking.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 861-863.
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