Wetzlar

[145] Wetzlar, 1) Kreis des Regierungsbezirks Coblenz in der preußischen Rheinprovinz, bildet eine vom Großherzogthum u. Kurfürstenthum Hessen, sowie von Nassau umgebene Enclave von 9l, 60 QM. mit 42,400 Ew.; ist durch den Taunus u. Westerwald gebirgig, wird von der Lahn durchflossen u. hat Eisen, Schiefer, Marmor, Kohlen, Lein- u. Wollweberei; 2) Kreisstadt darin, an der Lahn, Dill u. Wetzbach u. an der Einmündung der Lahnthalbahn in die Eisenbahn Gießen-Deutz; Sitz des Landrathsamts, Kreisgerichts, Postamts, 2 evangelische u. 2 katholische Kirchen (darunter der Dom aus dem 11. bis 16. Jahrh.), Synagoge, Gymnasium, Strumpf-, Handschuh- u. Tabaksfabriken, Leinweberei, Brauerei, Loge Wilhelm zu den drei Helmen, Gesellschaft für Vaterlandskunde, Landwirthschaftlicher Verein; 5200 Ew. Dabei auf einem Berge die Ruinen der von Karl dem Großen erbauten Burg Karlsmunt. – W. war ursprünglich eine deutschkönigliche Villa u. war bereits zu Friedrich Barbarossas Zeiten die wichtigste unter den vier Wetteranischen Reichsstädten. Hier wurde [145] Thile Kolup, ein Betrüger, welcher sich für den verstorbenen Kaiser Friedrich II. ausgab, gefangen u. verbrannt. Im 14. u. 15. Jahrh. kam allmälig die Schirmgerechtigkeit an das Haus Nassan u. 1636 an Hessen-Darmstadt. 1693 wurde das Reichskammergericht von Speyer hierher verlegt u. blieb daselbst bis zur Auflösung des Deutschen Reichs 1806. W. hatte die 13. Stelle u. auch Sitz u. Stimme bei den Oberrheinischen Kreistagen. Hier am 15. Juni 1796 Sieg der Österreicher u. Sachsen unter Erzherzog Karl über die Franzosen unter Jourdan (s. Französischer Revolutionskrieg S. 641), zu dessen Andenken 1846 auf dem Schlachtfelde ein Monument errichtet wurde. Schon 1803 hatte W. seine Reichsfreiheit verloren, war an Nassau, dann an den Großherzog von Frankfurt gekommen u. wurde 1814 preußisch. Über das Schicksal des Reichsarchivs zu W. s.u. Reichsarchiv. W. u. Umgebungen (namentlich das nahe Dörfchen Garbenheim) sind der Schauplatz der Begebenheiten in Werthers Leiden von Goethe, welcher hier 1772 am Reichskammergericht arbeitete u. welchem hier 1849 ein Denkmal errichtet wurde. Vgl. P. Wigand, W. u. das Lahnthal mit ihren romantischen Umgebungen u. geschichtlichen Denkwürdigkeiten, Wetzlar 1862; Derselbe, Geschichte des Doms zu W., ebd. 1839.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 145-146.
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