Exorcismus

[39] Exorcismus (v. gr.), die Handlung bei der Taufe, wobei durch den Gebrauch einer feierlichen Beschwörungsformel die Austreibung des Teufels aus dem Täufling bewirkt wird. Erst seit dem Ende des 2. Jahrh., u. wohl zuerst in Afrika, fand dieser, mit Unrecht aus Stellen des Neuen Testamentes (1. Kor. 5, 3 u. 1. Tim. 4, 20) abgeleitete Gebrauch, welcher mit der Abschwörung des Götzendienstes u. mit der Austreibung der Dämonen bei den Juden in Verbindung gesetzt wird, statt u. wird schon bei Tertullian, Origenes, Cyprian erwähnt. Seit Augustinus wurde der E. bei allen Täuflingen, die man wegen der Erbsünde in der Gewalt des Teufels glaubte, in Anwendung gebracht. Die Nestorianer schafften ihn ab, aber in der Morgen- u. Abendländischen Kirche wurde er beibehalten u. von den Scholastikern vertheidigt. In der Römisch-katholischen Kirche findet er noch förmlich statt; Zwingli war dagegen, Luther u. Melanchthon aber dafür, u. so wurde der E. in der Lutherischen Kirche Gebrauch, obschon die Symbolischen Bücher nichts darüber haben. Denn nach dem Kleinen [39] Katechismus entsagt nur der Täufling dem Teufel u. seinen Werken (Abrenuntiatio), u. das lutherische Taufbüchlein, welches ihn enthält, ist aus dem Concordienbuche wieder herausgenommen. Die lutherische Formel lautet: Fahre aus, du unreiner Geist, u. gib Raum dem heiligen Geist; u. nach einem Gebete noch einmal: Ich beschwöre dich, du unreiner Geist, bei dem Namen des Vaters ✝ etc., daß du ausfahrest u. weichest von diesem Diener Jesu Christi (wobei der Name des Täuflings genannt wird) Amen. Wie schon ältere Theologen, z.B. Hunnius, Beier, Baumgarten, u. neuere, wie Reinhard, Ammon, Bretschneider, den E. verwarfen als eine abergläubische Meinung, die eine Art Dualismus voraussetze, so wurde er auch, jedoch mit großem Widerspruch, in mehreren protestantischen Ländern abgeschafft u. in der königlich sächsischen Agende von 1812 weggelassen. Die neue preußische Agende hat die Formel: Der Geist des Unreinen gebe Raum dem heiligen Geist; doch ist die Weglassung gestattet. Die streng lutherische Richtung hielt dagegen an dem E. fest. Vergl. J. M. Kraft, Ausführliche Historie vom E., Hamb. 1750.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 39-40.
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