Zwingli

[774] Zwingli, Huldreich, Sohn eines Bauers, geb. 1. Jan. 1484 zu Wildhaus im Toggenburgischen, studirte erst auf den Schulen in Basel u. Bern, dann seit 1499 als Cogentius in Wien die Wissenschaften, hierauf seit 1502 in Basel Theologie, wo er zugleich Lehrer an der Lateinischen Schule war; er wurde 1506 Prediger in Glarus, wo er eine Lateinische Schule gründete. u. war 1512–16 Feldprediger der 20,000 Schweizer, welche im Solde des Papstes Julius II. in die Lombardei gegen die Franzosen zogen. N☉ seiner Rückkehr aus dem Feldzuge eiferte er gegen das, der Sittlichkeit u. der politischen Freiheit schadende Dienen der Schweizer im ausländischen Solde, u. da er sich dadurch viele Gegner in Glarus zuzog, so gab er seine Pfarrstelle daselbst auf u. wurde 1516 Pfarrhelfer in der Wallfahrtskirche zu Maria Einsiedeln im Canton Schwyz. Durch das hier ernstlich fortgesetzte Studium des Neuen Testamentes u. der Kirchenväter wurde ihm mancher Zweifel an der Wahrheit der Kirchenlehre erregt, u. während er sich früher begnügt hatte über die Mißbräuche in der Kirche zu schweigen u. Reliquiendienst u. Wallfahrten zu unterlassen, sprach er sich nun in Einsiedeln gegen die Wallfahrten u. gegen die Verehrung der Maria laut u. heftig aus, auch an den Cardinal Schinner, den päpstlichen Legaten Pucci u. den Bischof zu Konstanz ließ er die dringende Aufforderung ergehen ihren Einfluß zur Beseitigung der vielen groben Mißbräuche u. Verderbnisse der Kirche zu verwenden, bes. die freie Predigt des Evangeliums zu erlauben. Als 1518 B. Samson als Ablaßkrämer nach der Schweiz kam u. Z. eifrig gegen ihn predigte, so verlieh der päpstliche Legat Pucci das Akoluthenkaplanat des Päpstlichen Stuhles an Z., in der Hoffnung, daß derselbe schweigen würde. Zu weitergehenden reformatorischen Thaten kam er dadurch, daß er Ende 1518 zum Leutpriester am Großmünster in Zürich berufen wurde, wo er am Neujahrstage 1519 sein Amt mit der Verheißung antrat das lautere Evangelium von Christo predigen zu wollen 1521 trat er in die Reihe der Chorherren am Großmünster. Den ersten kirchlich-reformatorischen Schritt that er im April 1522 durch seine Schrift gegen das Fasten, u. als dagegen das Domcapitel u. der Bischof auftraten u. bei der Tagsatzung in Luzern ein Verbot gegen aufregende Predigt erlangten, so vereinigte sich Z. im Juli auf einer Conferenz mit zehn evangelisch gesinnten Geistlichen in Einsiedeln zu einem Gesuch an die Tagsatzung um Freilassung der Predigt des Evangeliums u. um Gestattung der Priesterehe. In Folge des Religionsgesprächs in Zürich, am 29. Jan. 1523, auf welchem die vielen Mißbräuche in der Kirche von den Bischöflichen nicht aus der Heiligen Schrift bewiesen werden konnten u. Z. das Princip aussprach, daß die Entscheidung über Zusammenstimmung der Kirchenlehre u. Praxis nicht der Hierarchie, sondern der christlichen Gemeinde zustehe, ertheilte der Rath an Z. die Erlaubniß ferner nach der Schrift zu predigen u. proclamirte somit die Annahme der Reformation für das Züricher Gebiet, welche sodann auch im Laufe des Jahres 1523 eingeführt wurde, s. Reformirte Kirche S. 915. Als auf der Tagsatzung zu Luzern am 26. Jan. 1524 die eidgenössischen Stände der züricher Reformation Hindernisse in den Weg legen wollten, erfolgte der Bruch Zürichs mit dem Bunde u. wurde die Reformation fortgesetzt. 1524 wurde Z. auch Rector des Gymnasiums, welchem er eine bessere Einrichtung gab, verheirathete sich nach dem Vorgange mehrer anderer Geistlicher mit Anna Reinhard, einer Wittwe, begann den Kampf gegen die wiedertäuferischen Schwärmer u. schrieb ein System der Dogmatik (De falsa et vera religione); 1525 war sein Streit mit den Lutherischen über die Lehre vom Abendmahl (s.u. Sacramentstreit), dessen Folge, nachdem das Colloquium zu Marburg im October 1529 keine Einigung gestiftet hatte, die Trennung der Reformirten von der Lutherischen Kirche war. Zur Disputation in Baden, im Mai 1526, ging Z. nicht, um sich den Absichten der Päpstlichen auf seine Freiheit od. sein Leben nicht preiszugeben. 1530 brach ein Krieg zwischen Zürich u. fünf katholischen Cantonen aus; Z. mußte auf Befehl des Rathes als Feldprediger mit zu Felde ziehen, u. unter den Seinigen stehend fiel er in der Schlacht bei Kappel den 11. Oct. 1531, erst von einem Stein, dann von einem Speer getroffen, u. da er Maria u. die Heiligen nicht anrufen wollte, von dem Hauptmann Vokinger aus Unterwalden erstochen. Die Feinde viertheilten[774] seinen Leichnam u. verbrannten ihn; erst 1838 wurde ihm in Kappeln ein Denkmal errichtet. Z. war ein edler, milder, toleranter, frommer, uneigennütziger Mann, ausgezeichnet durch Kenntnisse u. Sinn für das Praktische; seinem Lehrbegriff lag Einfachheit u. Streben nach Klarheit u. Vernünftigkeit zum Grunde. Z-s Schriften gab heraus R. Gualther, Zürich 1515 ff., 4 Bde., Fol.; Schuler u. Schultheß, ebd. 1828–42, 8 Bde., dazu Supplem. 1861; im Auszuge Usteri u. S. Vögeli, ebd. 1819 f., 3 Bde., u. Christoffel, Zür. 1843 ff., 15 Bdchn. Vgl. Osw. Myconius, De H. Zwinglii vita et obitu, Bas. 1532; Lebensbeschreibung von Nüscheler, 1776; I. C. Heß, 1810; Schuler, Zür. 1819; Röder, St. Gallen 1855; Christoffel, Huldreich Z-s Leben u. auserwählte Schriften, Elberf. 1857, 2 Bde.; Tichler, H. Z., Utr. 1857 f., 2 Bde.; Sal. Heß, Anna Reinhard, Z-s Gattin, Zür. 1819; Zeller, Das System Z-s, Tüb. 1853; Sigwart, U. Z. (der Charakter seiner Theologie), Stuttg. 1855. Ihn machte Fröhlich zum Helden seines Epos Zwingli.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 774-775.
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