Sacramentstreit

[739] Sacramentstreit, der Streit zwischen den Lutheranern u. Reformirten über die leibliche Gegenwart Christi im Abendmahl (s.d. I.). Der kirchlichen Transsubstantiationslehre gegenüber hatte Luther behauptet, daß die Abendmahlselemente blieben, was sie wären, doch so, daß Christi Leib u. Blut darin wirklich enthalten wären (Consubstantiation). Schon gegenseine eigenen Anhängermußte er sich erklären, so namentlich 1525 gegen Carlstadt, welcher durch seine Annahme, in dem Abendmahl sei nur ein inbrünstiges Gedächtniß an den dahingegebenen Leib Christi anzunehmen, ganz aufgehört hatte im Abendmahl ein wirkliches, die objective Realität des persönlich gegenwärtigen Christus in sich fassendes Darstellungsmittel der sündetilgenden Liebe Gottes anzuerkennen. Inzwischen war Zwingli 1524 mit seiner Ansicht von dem Sacrament hervorgetreten, welches er mit der Deutung der Worte »das ist« als »das bedeutet« als ein bloses Erinnerungsmahl an den versöhnenden Tod Jesu ansah, durch dessen Genuß der Empfänger die segensreichen Wirkungen dieses Todes mittelst des Glaubens sinnlich sich aneigne; auch Öcolampadius sah den Glauben an den Versöhnungstod Jesu als das wesentliche Moment im Abendmahl an. Gegen Letztern begannen die schwäbischen Theologen unter Brenz in dem Buche Syngramma suevicum den Streit, worin sie die substantielle Gegenwart des Leibes Christi vermöge einer Wirkung des Wortes im Abendmahl behaupteten u. welchen dann Luther seit 1526 aufnahm; er blieb zunächst bei dem Sein statt des Bedeutens in den Sacramentselementen u. wurde durch die Annahme von einer überleiblichen Leiblichkeit Christi in denselben zu der scholastischen Ubiquitätslehre, der Allenthalbenheit des Leibes Christi, zurückgeführt. Seine Gegner nannte er Sacramentirer u. Schwärmer. Vergebens suchte Bucer von reformirter u. Melanchthon von lutherischer Seite die Streitenden zu versöhnen; darauf veranstaltete zur Vereinigung der Parteien der Landgraf von Hessen, Philipp der Großmüthige, das Religionsgespräch zu Marburg vom 1._– 3. Octbr. 1529 auf welchem lutherischer Seits Luther, Melanchthon, Iust. Jonas, Joh. Brenz, Fr. Myconius, Kasp. Cruciger, Andr. Osiander u. Steph. Agricola, reformirter Seits aber Zwingli, Öcolampadius, Bucer u. Hedio zugegen waren. Obgleich sich die Reformirten nachgiebiger zeigten, so konnten sie sich doch nicht zur Annahme eines leiblichen Genusses des Leibes u. Blutes Christi im Abendmahl verstehen, wobei Luther fest stehen blieb u. nachmals auch noch behauptete, selbst den Unwürdigen werde Christi Leib u. Blut im Abendmahl gereicht. Darnach trat, bes. seitdem Luther 1537 in seinem Friedensbrief[739] an die Schweizer es dahingestellt hatte, wie Christi Leib u. Blut im Abendmahl uns mitgetheilt werde, ein Stillstand in dem Streite ein, bis Luther denselben 1544 wieder begann. Nach Calvins Ansicht findet im Abendmahl eine wirklich objectiv-reale Mittheilung Christi doch nur an die Gläubigen statt. Die Concordienformel stellte sich gegen die mildere Ansicht in der Veränderten Augsburgischen Confession von 1540 wieder auf den alten lutherischen Standpunkt, u. der alte Streit zwischen beiden Confessionen trat wieder bei der Bekämpfung der in neuerer u. neuester Zeit angebahnten Union derselben in alter Heftigkeit an den Tag. Vgl. Hospinian, Hist. sacramentaria, 2. A. Zür. 1602; Lavater, Hist. controversiae sacramentariae, 2. A. Zür. 1672.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 739-740.
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