Gesetzesanalogie

[291] Gesetzesanalogie, die Ergänzung der Lücken eines Gesetzes durch Ausdehnung desselben auf solche Fälle, welche zwar durch dasselbe nach der Wortbestimmung nicht unmittelbar betroffen werden, wegen Gleichheit der Folgerung aber nach dem Geist u. Zweck der gesetzlichen Anordnung ebenfalls darunter gestellt werden müssen. Als ein Theil der wissenschaftlichen Erkenntniß des Rechtes ist die G. im Allgemeinen bei allen Gesetzen anwendbar; nur für das Criminalrecht besteht insofern eine Ausnahme, als hier die Rücksicht auf die natürliche Handlungsfreiheit des Menschen die Strafgebote als Ausnahmen von der Regel betrachten heißt u. deshalb eine strengere Begrenzung derselben vorschreibt. Der Richter ist daher hier nicht befugt, in einem Falle, welcher nicht ausdrücklich im Gesetze mit Strafe bedroht ist, blos deshalb Strafe anzuwenden, weil die Gründe der Strafwürdigkeit auch hier Strafe zu rechtfertigen scheinen, während er dagegen nie gehindert ist, auch auf solche Fälle, die im Gesetze nicht ausdrücklich benannt sein sollten, die Strafe dann zu erstrecken, wenn etwa der Fehler nur in einem mangelhaften Ausdruck liegt u. der Richter, indem er diesen Mangel nach den Grundsätzen logischer Auslegung ergänzt, das Gesetz doch nur innerhalb seiner ursprünglichen Grenzen zur Anwendung bringt.

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Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 291.
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