Kirchenzucht

[533] Kirchenzucht (Kirchendisciplin), der Inbegriff aller der Mittel, deren sich die Kirche bedient, um ihre Glieder im Gehorsam gegen ihre Gesetze zu erhalten. Während in der ersten Christlichen Kirche die K. sehr streng gehandhabt u. bei öffentlichen Ärgernissen u. Vergehen der Ausschluß aus der Kirche vollzogen, die Wiederaufnahme aber an gewisse Büßungen geknüpft wurde (s. Kirchenbuße), milderte man später die Strenge der K. durch Dispensationen, jedoch lebte sie im 8. Jahrh. durch die Sendgerichte (s.d.) wieder auf. Die päpstliche Macht verwandelte die Kirchenstrafen immer mehr in Geldstrafen od. Auflegung gewisser Bußwerke. Allmälig aber verschwand mit der Größe der päpstlichen Macht auch die K. u. erst in der Protestantischen Kirche gewann sie wieder Eingang, bes. in der Reformirten Kirche u. unter den Puritanern. Nachdem in der Aufklärungsperiode die K. ganz in Verfall gekommen war, wurde bei den so vielen u. sittlichen Schäden der Gegenwart die Frage über die Zweckmäßigkeit u. Nothwendigkeit der K. wieder aufgeworfen u. namentlich auf dem Kirchentag in Lübeck 1856 verhandelt. Hierbei drang man bes. auf vorherige Organisirung der Localgemeinde, um dadurch einen allmäligen Weg zur K. anzubahnen, u. wollte nur Kirchenstrafen ohne bürgerliche Nachtheile. Auch die Kirchenconferenz in Eisenach hat sich 1857 damit beschäftigt u. zwar die K. als Gesellschaftsrecht anerkannt, jedoch wegen der Schwierigkeit, allgemeine Normen aufzustellen, die Sache selbst zurückgestellt. Unter den separirten Lutheranern wurde die K. streng geübt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 533.
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