Lacordaire

[2] Lacordaire (spr. Lakordär), 1) Jean Baptiste Henri, geb. den 18. Mai 1802 zu Recey-sur-Ource im Departement Côte d'Or, studirte in Dijon die Rechte, wurde 1822 in Paris Advocat, verließ aber nach zwei Jahren diese Laufbahn, trat in das Seminar St. Sulpice u. wurde 1827 Prediger. Nachdem er eine Zeit lang Aumonier zuerst in einem Nonnenkloster, dann am Collége zu Juilly gewesen war, wurde er 1830 Mitarbeiter an dem ultramontanen u. radicalen Avenir u. kam deshalb mehrere Male vor Gericht. Mit Montalembert gründete er im Oct. 1830 die Freie Schule, ohne sich dabei den Gesetzen der Universität unterwerfen zu wollen, wodurch ein Proceß vor der Pairskammer entstand. Als der Papst über den Avenir 1832 seine Entrüstung aussprach, ging L. deshalb nach Rom u. that Buße. 1833 nach Paris zurückgekehrt, widmete er sich mit großem Eifer dem Predigtamte, u. die Neuheit, Kühnheit u. der Glanz seiner Beredsamkeit fesselte, trotz des Fremdartigen seiner Lehren, die Menge. Er ging 1838 abermals nach Rom, bestand in einem Dominicanerkloster das Noviziat u. wurde 1840 in diesen Orden eingekleidet. Nach Frankreich zurückgekehrt, bestrebte er sich hier, wiewohl ohne Erfolg, den Dominicanerorden wieder herzustellen. Im März 1848 wurde er in die Nationalversammlung gewählt, da er aber im Mai in der Sitzung erklärt hatte, daß er Republikaner sei, erhielt er dafür von seinen Obern einen Verweis u. wurde veranlaßt, aus der Versammlung zu treten. Als Papst Pius IX. 1850 die in Frankreich errichteten Dominicanerklöster zu einer eigenen Provinz vereinigte, wurde L. zum Provincial derselben ernannt, da er aber im Januar 1852 mit Bezug auf die neue Regierung gepredigt hatte, mußte er Frankreich verlassen u. ging nach Holland u. England, jedoch bald nach Frankreich zurückgekehrt, predigte er wieder in Paris u. mehreren Provinzialstädten Frankreichs, sprach sich bei Gelegenheit des Streites über das Studium der Klassiker 1852 für die Lesung derselben aus, errichtete 1853 ein Dominicanerkloster zu Toulouse, lebte dann in Flavigny, im Departement Côte d'Or, im Ordenshause der Dominicaner u. leitet gegenwärtig (1860) das Freie College von Sorreze. Im Februar 1860 wurde er zum Mitglied der Akademie von Frankreich gewählt. Er schr.: Considérations sur le système philosophique de M. de Lamennais, Par. 1834; Lettre sur le saint-siége, 1838; Mémoire pour le rétablissement en France de l'ordre des Frères Prêcheurs, 1839; Vie de St. Dominique, 1840, 2. A. 1844 (ins Spanische, Polnische u. Deutsche übersetzt); Conférences de Notre-Dame de Paris, 1835–50, 3 Bde. (spanisch von Juan Gonzalez, n. A. Par. 1849, 2 Bde.); Conférences, prêchées à Lyon et à Grenoble, Lyon 1845. 2) Théodore, Bruder des Vor., Reisender u. Naturhistoriker, jetzt Professor in Lüttich; er schr. von 1832–35 Reiseartikel für die Revue des Deux-Mondes; außerdem Introduction à l'entomologie, Par. 1834; mit Boisduval: Faune entomologique des environs de Paris, ebd. 1835; Monographie des érotyliens, famille de l'ordre des coléoptères, ebd. 1842.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 2.
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