Miniatur

Miniatur. (Mahlerey)

Ist eine besondere Art Mahlerey mit Wasserfarben, die nur zu ganz kleinen Gemählden gebraucht wird. Man arbeitet dabey zwahr mit dem Pensel, aber nicht durch Striche, sondern blos durch Punkte. [765] Also bestehet das ganze Gemähld aus feinen an einandergesezten Punkten. Einige Miniaturmahler machen runde, andre längliche Punkte: auch findet man eine besondere Miniaturart, durch sehr kurze und feine Striche. Das Gemähld wird auf weißen Grund, starkes Papier, Pergament, Elfenbein, oder auf Schmelzgrund gearbeitet, da das Weiße des Grundes zu den höchsten Lichtern gespahrt wird. Elfenbein ist aber ein schlechter Grund, weil es mit der Zeit gelb wird.

Bisweilen wird das Gemähld, besonders das Portrait, nur halb in Miniaturart gemacht; nämlich das Gesicht, und was sonst an dem Bilde nakend ist, wird punktirt, das übrige, Gewand und Nebensachen, wird nach der gemeinen Art durch Penselstriche und Vertreibung der Farben in einander, gearbeitet. Man hat dergleichen von Corregio, von dem zwey sehr schöne Stüke in dem Cabinet des Königs von Frankreich sind. In der Miniatur selbst wird nichts vertrieben, sondern jeder Punkt behält die Farbe, wie sie auf der Palette war. Ob aber gleich die Farben nicht in einander fließen, so thun sie doch nebeneinandergesezt, wenn der Miniaturmahler recht geschikt ist, eben die Würkung, als wenn sie in einander geflossen wären. Doch ist es seltener eine Miniatur von vollkommener Harmonie zu sehen, als ein anderes Gemähld. In Portraiten sind doch die Farben insgemein zu schön, als daß sie das wahre Colorit der Natur darstellten. Für Blumen schiken sie sich am besten.

Diese Mahlerey dienet nur für sehr kleine Gemählde, die allemal unter Glas müssen gesezt werden: sie erfodert ungemein viel Geduld und große Behutsamkeit, weil nichts kann übermahlt werden. Insgemein lassen sie mehr die Geduld und den Fleis des Künstlers, als sein Genie bewundern. Doch sieht man auch bisweilen Miniaturen von großer Schönheit, ungemein guter Haltung und Harmonie: aber sie sind selten. Indessen ist die Miniatur deswegen schäzbar, weil ganz kleine Gemählde in Ringe, Uhren und anderes Geschmeide, nicht anders können gearbeitet werden.

Ich besinne mich bey irgend einem alten Schriftsteller die Beschreibung eines Gemähldes gelesen zu haben, bey welcher mir einfiel, es müßte in Miniatur gearbeitet gewesen seyn. In den mittlern Zeiten, da die schönen Künste meist im Staub, lagen, mag die Miniatur am meisten geblüht haben. Die Reichen ließen in ihren Kirchenbüchern um die Anfangsbuchstaben kleine Gemählde machen, und diese Art der Pracht war ihnen damals so gewöhnlich, als gegenwärtig irgend eine andere es ist. In dem Cabinet des Herzogs von Parma soll ein Mißale dieser Art von ausnehmender Schönheit seyn, von Dom Jul. Clovio bemahlt. Dieser Clovio ist einer der berühmtesten Miniaturmahler gewesen. Seine vornehmsten Werke sind nebst denen von Fra Giov. Batt. del Monte sinario vornehmlich in der florentinischen Gallerie zu sehen.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 765-766.
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