Satyrisches Drama

[1001] Satyrisches Drama.

Dieses war bey den Griechen eine Art des Nachspiehles, das entweder zwischen zwey Trauerspielen, oder nach denselben aufgeführt worden. Der Charakter desselben war, daß es eine bekannte Handlung eines Helden, zwar ernsthaft, aber mit Scherz untermischt, in einem aufgewekten Vortrag vorstellte. Dieses Drama hatte einen Chor, wie das Trauerspiel, der aber allezeit aus Satyren bestund. So wol der Inhalt, als die Ausführung zielte auf etwas lustiges ab. Die Scene war allemal auf freyem Feld, oder in Wäldern, nahe an den Hölen der Satyren. Satyricæ Scenæ, (sagt Vitruvius) ornantur arboribus, speluncis, montibus, reliquis agrestibus rebus in topiarii operis speciem deformatis1, und so waren auch die Tänze, wie alles übrige dem muthwilligen und wollüstigen Charakter der Satyren angemessen.

Wie ausgelassen dieses Schauspiel gewesen sey, läßt sich aus dem Cyclops des Euripides, dem einzigen satyrischen Drama, das übrig geblieben ist, abnehmen; da dieser socratische sonst so weise und so ernsthafte Dichter seinen Satyren viel wollüstige Reden und so gar Zoten in den Mund legt, welches er gewiß aus Nothwendigkeit, dem Charakter dieser Spiele gemäß und nicht seinem eigenen Geschmak zufolge gethan hat.

Es ist wahrscheinlich, daß dieses Drama das allerälteste in Griechenland gewesen ist, und es könnte wol seyn, daß die andern, nämlich die Tragödie und Comödie ihren Ursprung daher genommen hatten, und daß es seinem Ursprung nach eine Herbstlustbarkeit, nach Einsammlung des Weines gewesen. Aus diesem Grunde mag es nachher als ein Anhang bey den Trauerspielen seyn beybehalten worden. Denn insgemein mußte ein Dichter, wenn er ein oder mehrere Trauerspiel aufführen ließe, auch ein satyrisches Drama dazu geben. Ausführlichere Nachricht von diesem Lustspiel findet man in einer eigenen Abhandlung, welche Is. Casaubon davon geschrieben hat2.

Die Römer hatten auch eine Art satyrischer Lustspiele, die aber von dem Griechischen gänzlich unterschieden waren. Die wenigen Spuhren, welche man von ihrer Beschaffenheit hat, kann man in dem angezogenen Werk des Casaubons finden. Wir bemerken nur dieses einzige, daß aus den wenigen Nachrichten der römischen Scribenten zu erhellen scheinet, daß dieses Schauspiel bey den Römern wie eine Art der Fastnachtslustbarkeit gewesen, da die spielenden Personen einander durchgezogen, ohne daß in diesem Spiel eine würkliche Fabel oder Handlung zum Grunde gelegt worden. Livius (Andronicus) post aliquot annos ab satiris ausus est primus argumento fabulam serere3. Mit diesem kommt überein, was Val. Maximus sagt. A satiris primus omnium poeta Livius ad fabularum argumenta spectantium animos transtulit.

Nachher ist aber von den Römern der Name der Satire einer Art des Gedichts gegeben worden, wovon im vorhergehenden Artikel gehandelt worden.

1L. V. c. 8.
2Is. Casauboni de Satyrica Græcorum poesi et Romanorum satyra, Libri II. Paris. 1605. 8.
3T. Liv L. VII. c. 2.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1001.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: