Grün (Adj.)

Grün (Adj.).


1. Gräun is dat Land, rod is dei Kant, witt is dei Sand, dat sünd dei Teiken von Helgoland.

Grün ist das Land, roth ist die Klippe, weiss ist der Sand, das sind die Farben vom heiligen Land.


2. Grîen macht schîn. (Schles.)

Grün scheint wol aber nur in einzelnen Theilen Schlesiens beliebt zu sein. In Venetien heisst es: Wer ein hübsches Gesicht sehen will, sehe es in Grün oder Blau. In Toscana: Hübsch wird durch Grün die hässliche Toscanerin. Man liebt dort die Frauen besonders in Grün, dass man behauptet, eine Frau müsse sehr hässlich sein, wenn ihr Anblich durch diese Farbe nicht gewinne. (Reinsberg I, 49.) Die Dänen haben folgende sprichwörtliche Schilderung der Farben: Grønt er kierligt, rødt er herligt, brunt er tarveligt, sort er sørgeligt. Und: Grønt er skiønt, blaat er spot, guult er fuult. – (Prov. dan., 255.)


3. Grüen muoss Roth ha. (Solothurn.) – Schild, 110, 98.

Wenn die Wiesen im Herbst lange grün sind, so bleiben sie im folgenden Frühjahr lange roth.


4. Ob's grün ist oder bläulich, uns ist (bleibt) es einmal gräulich.

Mit diesem Spruche begrüsste man in Berlin (1849) die Umwandlung der Gensdarmen in Constabler. Man wendet das Wort an, um zu sagen, dass sich eine Sache nicht wesentlich geändert habe.


5. Ohne Grün nimmt mich niemand hin. (Altröm.)

Bei den Römern war Flora die Göttin der Blumen wie der Kräuter und Bäume. Die Blumen waren ihr heilig, und ihr zu Ehren und auf dass alles gut und vollkommen blühte, wurden jährlich (Ende April) die bekannten Floralien gefeiert. An diesen bestreute man die Strassen mit Blumen und Zweigen: auch trug jedermann grüne Zweige, und es würde eine Art Unehre gewesen sein, ohne einen solchen Zweig öffentlich zu erscheinen. Von diesem Brauch kommt das eben aufgeführte Sprichwort.


6. Wer sich grün macht, den fressen die Ziegen. Körte, 7129; Simrock, 4067; Reinsberg III, 145; Lohrengel, I, 845.

Niederdeutsch: De sik to grön makt, den frêt de Segen. (Eichwald, 1707.)

*7. Da wird einem grün und blau vor den Augen.


*8. Das mir grüne und gale woar.Gomolcke, 289 u. 345.


[155] *9. Du bist zu grün, um alles zu wissen.


*10. Du machst de z' bald grüan.Nefflen, 456.

Du gehst (nach einer Krankheit, einem Wochenbett) vor der Zeit aus, strengst dich zu früh an.


*11. Enen grön wes'n.Eichwald, 676.


*12. Er ist mir niemals (stets) grün (gewogen) gewesen.Körte, 2430.

»So war mir der Obrist-Leutenant auch nicht so gar grün.« (Simplic., 435.)


*13. Er ist noch grün um den Schnabel.

Um diese Unreife zu bezeichnen, hat man auf der nordfriesischen Insel Amrum folgende an ihrem Orte mundartlich aufgeführten Redensarten: Er ist noch nicht trocken hinter den Ohren. Er kann sich die Hosen noch nicht selbst aufbinden. Er ist noch ein grüner Gelbschnabel. Hi as eg uunargrend, d.h. ihm ist die Wolle noch nicht losgewaschen. (Vgl. Haupt, VIII, 356, 69.)

Frz.: Il n'est qu'un blanc bec.

*14. Er macht sich grün.

Streicht sich heraus, vettermichelt sich ein.


*15. Grüner als Gras.


*16. Hi as nogh green. (Amrum.) – Haupt, VIII, 356, 96.


*17. Ihr saht noch gar grün üm e Schnobel.Gomolcke, 630.


*18. Ik bün em so grön nig.Schütze, II, 74.

D.h. nicht so gut.

Holl.: Ik ben er niet groen op. (Harrebomée, I, 260.)


*19. Mach dich nicht so grün!Tendlau, 260.

D.h. nicht mausig.


*20. Makt ju so grön nig, sünst frêtet ju de Zêgen.Schütze, II, 74.


*21. Mir wurde grün und gelb vor den Augen. Mayer, I, 217.

Wirkung eines heftigen Eindrucks, welcher die ruhige Sinnenthätigkeit stört; sehr übel zu Muthe.


*22. So graün asse Gras. (Grafschaft Mark.) – Frommann, V, 60, 72; hochdeutsch bei Agricola I, 602.

*23. Sug ech (sage ich) grün, sagt er gel (gelb). (Jüd.-deutsch. Brody.)


[Zusätze und Ergänzungen]

24. Grün und Blau wollen eine schöne Frau.

Lieblingsfarben in Italien.

It.: Il verde e il turchino vuole un bel visino. (Bazar, 1876, Nr. 2.)


*25. Er ist grün Sommers und Winters. (Schwaben.)

Von einem, der eine ungesunde Gesichtsfarbe hat.


*26. Er ist vor Aerger, Neid grün abgehackt und im Drecke hereingeschleppt.

In Seifershau (Kreis Hirschberg) von einem rohen, groben Menschen.


*27. Es wird ihm grün und schwarz vor den Augen.


*28. Grün wie eine Wiese. (Köthen.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870.
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