Heiligthum

1. Das Heiligthum ist nicht danach, wie die Monstranz ist.

Das Aeussere ist gut und schön, aber das Innere entspricht ihm nicht.


2. Der kein Heiligthum ist, den setzt man hinter die Thür; wenn man ihn bedarf, so nimmt man ihn wieder herfür.

Ausdruck der Verachtung, wenn man jemand nur als Mittel zu einem gewissen Zwecke gebraucht, ihn sonst aber zurücksetzt.


3. Der sein selbst heilthumb ist, ist andern ein grewel.Eyering, I, 541; Petri, II, 722; Schottel, 1114a; Sailer, 107; Simrock, 4511; Körte, 2721.

Wer voller Eigenliebe ist, hat wenig Freunde.


4. Man soll das Heiligthum nicht den Hunden geben.Matth. 7, 6; Schulze, 194; Zaupser, 436; Petri, I, 71; Schottel, 1117b.

Holl.: Geef het heilige den honden niet. (Harrebomée, I, 297.)


5. Trag das Heiligthumb in allen Winkeln, so stehets wol in der Hausshaltung.Petri, II, 548.


6. Wenn man das Heiligthumb anbetet, so meint der Esel, der es tregt, man bete jhn an. Petri, II, 662; Henisch, 338, 34.


*7. Ein Heiligthum aus etwas machen.

Es sehr hoch erheben. Ein Verzeichniss aller derjenigen Dinge, welche von dem Menschen von jeher schon als Heiligthümer betrachtet worden sind und noch betrachtet werden, wäre ein werthvoller Beitrag zur Culturgeschichte der Menschheit und würde uns auch über den Werth der sogenannten Heiligthümer Belehrung und Massstab gewähren.


*8. Es ist kein Heiligthum.

Von jedem verächtlich behandelten Gegenstande, weil die Griechen alles Ausgezeichnete, Grosse, Herrliche heilig nannten.


*9. Es ist nit alles heyltumb, was die bauren küssen.Franck, II, 104b; Sailer, 233; Simrock, 4498; Körte, 2720.

Die armen »Bauern« müssen manches küssen, was nichts weniger als ein Heiligthum ist. – »Von den beiden Päpsten zu Lhasso und zu Taschi Hlumpo – um ein Beispiel aus der Ferne zu nehmen – wird nicht nur der Unrath aufgehoben und wie ein Heiligthum zu Amuleten und Arzneien an vornehme und reiche Leute ausgetheilt, sondern auch ihr Harn wird in Tibet wegen starker Nachfrage, und weil diese heiligen Männer überhaupt sehr diätetisch leben sollen, nur zu wenig Tropfen an die Gläubigen ausgetheilt. Man hat dies zwar bezweifeln wollen, allein die Sache ist so zuverlässig, dass die Geistlichen der Mongolen und Kalmücken es gar nicht leugnen. Ich selbst habe einen Nodulus von ersterer Materie, in Seide eingenäht, gesehen, den die derbetische Fürstin Abu, welche während meines Aufenthalts in Zarizyn starb, als köstliches Amulet getragen.« (Vgl. Pallas, Nachrichten über die mongolischen Völker, II, 511, und Ausland, 1857, Nr. 18, S. 421.)


*10. Heiligthümer steckt er ein und Höllenstein bringt er heraus.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870, Sp. 472.
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