Kehren

1. E jeder kier vîr séinjer Dir. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 962; hochdeutsch bei Simrock, 5551.

Frz.: Chacun doit balayer devant sa porte. (Bohn I, 12.)


2. Ein jeder kehre für seiner Thür, so werden alle Gassen rein.Petri, II, 201; Herberger, Herzpostille, I, 198.


3. Eynn yeder kere vor seiner eygen thür, so wirt es allerwegen rein.Tappius, 239b; Theatrum Diabolorum, 422b; Henisch, 1364, 27; Lehmann, 508, 78; 729, 33; Herberger, I, 686; Gaal, 996; Lohrengel, I, 230; Siebenkees, 200; Eiselein, 595; Parömiakon, 1309; Reinsberg IV, 51.

»Ker für deiner thür.« (Waldis, II, 61, 24.) »Es kere ein jeder für seiner thür ... Aber der Affe will holtz spalten, die Krähe will dem Affen predigen, der Wolff will jetzt Arzt sein vnd dem hinckenden Pferde helffen, schier will er ein Jurist sein vnd die zwo stoltzen Zigen vnnd zween stossende Böck entscheiden, oder der Saw jre jungen im Zihebrunnen tauffen, vnd hat doch der keins gelernet. Drumb gehet es auch eben hinauss wie maus anfahet. Der Affe vergisst des Keils, die krähe wird vom Affen zerrissen, der wolff kriegt auch sein trinkgeld, dass er kaum mit der haut dauon kombt. Also wenn einer nit für seiner thür keret vnd will ander leut meistern, oder die Hende vberall, wie die Kinder, mitten im Sode haben.« (Mathesius, Postilla, XXXIXa.)

Engl.: Sweep before your own door. (Bohn II, 135.)

Frz.: Mêle-toi de ce qui te regarde. – Que chacun se mêle de ses affaires.

It.: Ognuno si guardi a' piedi.

Lat.: Ab ipso Lare incipe. (Eiselein, 370; Philippi, I, 2; Binder II, 24.) – Aedibus in nostris, quae prava aut recta geruntur. (Tappius, 239a; Erasm., 33; Faselius, 7; Wiegand, 1125.) – Tecum habita et noris, quam sit tibi curta supellex. (Persius.) (Seybold, 596.)

Ung.: Ki ki maga háza elött söpörjön, (Gaal, 996.)


[1235] 4. He kert sick an nichts, he geit dör gras un kôrn.Lübben.


5. Jeder kehr' vor seiner Thür, er find't wol Koth genug dafür.Simrock, 5531.

Ein Haus in Franken hat die Inschrift: »Ein jeder kehr' vor seiner Thür, so find't er Fehler gnug, und nimmt die Fehler zu Papier, so wird er endlich klug.«


6. Kehr' di, kehr' di, kehr'di an Niks; swear de Schau met Eierwicks. (Westf.)

Charakterisirt Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit.


7. Kehr' dich an nichts, der Weizen kostet sein Geld.


8. Kehr' erst vor deiner Thür, dann hilf dem Nachbar.Hollenberg, II, 2; Ramann, II, Pred., II, 315; Ramann, Unterr., II, 17; Eiselein, 369; Simrock, 5552; Reinsberg IV, 51.

It.: Chi vuol dir mal d'altrui, pensi prima di lui. (Gaal, 996.)


9. Kehrt' ein jeder vor seiner Gassen rein, so würden alle Gassen sauber seyn.Gruter, III, 57.


10. Kêr di an nix, un kêr di an nix is ôk en Trôst. (Holst.) – Schütze, II, 242; Biernatzki; hochdeutsch bei Simrock, 5554.

Ueber alles sich wegsetzen wird für einen Trost erklärt.


11. Kher ein ieglicher für seiner thür, so wirdt es vberal rein.Manl., 67.


12. Mancher kehrt vor ander Leute thür vnnd vor seiner nicht.Altmann, 333, 18.


13. 'N jeider kiäre vöer suiner Döär, dann is et vöer allen reine. (Arnsberg.) – Firmenich, I, 353, 14.


14. Wer sich wollt' kehren an all' Geschrei und antworten auf all' Gespei, der macht aus Einem Unglück zwei.


15. Z' airste kehrt me, nau putzt me. (Neresheim.)


*16. Er kehrt vor fremder Thür und hält die eigene nicht rein.Reinsberg I, 52.


*17. He kehrt sich an gên Rören, ehr he gahr sünd. (Ostfries.) – Bueren, 608.


*18. Kähr' a ok vur senner Thîr. (Schles.) – Frommann, III, 413, 487.

In Würtemberg: Kaihr du voor dainra Thür. (Nefflen, 462.)


*19. Kähr' am og a Fleckel und tanz' a. (Schles.) – Frommann, III, 416, 393.

Auf die Frage: Was soll ich jetzt machen?

*20. Kehr' dich nicht dran!


[Zusätze und Ergänzungen]

21. Jeder kehre vor seiner Thür, findest du da nichts, so komm zu mir.


*22. Kehren, wo die Pfaffen tanzen. (Wien.)

D.h. nur an den vordern ins Auge fallenden Stellen, also oberflächlich.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Nachdem Musarion sich mit ihrem Freund Phanias gestrittet hat, flüchtet sich dieser in sinnenfeindliche Meditation und hängt zwei radikalen philosophischen Lehrern an. Musarion provoziert eine Diskussion zwischen den Philosophen, die in einer Prügelei mündet und Phanias erkennen lässt, dass die beiden »nicht ganz so weise als ihr System sind.«

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon