Die geographische Breite

[175] Die geographische Breite. So wird eine jede gerade laufende Linie genannt, welche man von dem Aequator an bis an einen der beiden Pole der Erdkugel beschreibt.

Die geographische Breite

Um sich einen deutlichen Begriff davon zu machen, stelle man sich eine Kugel vor, welche in eine Drechselbank [175] eingespannt ist. Die beiden Punkte, an welchen die Kugel hier fest gehalten wird, werden die Pole genannt, und zwar der eine der Südpol, und der andere der Nordpol. Man lasse nun den Drechsler einen Zirkel rund um die Kugel herum drehen, der von den beiden Polen gleich weit entfernt, und also in der Mitte ist. Dieser Zirkel heißt der Aequator oder der Gleichmacher, weil er die Kugel in zwei gleiche Hälften theilt. Er wird rund herum in 360 Grade eingetheilt, wovon jeder Grad 15 Deutsche Meilen enthält. Man nehme nun die Kugel aus der Drehbank heraus, und halte sie mit beiden Händen an den beiden Polen vors Gesicht: das Gesicht soll die Sonne vorstellen; die Strahlen der Sonne werden also in gerader und in der kürzesten Linie auf den Aequator, und in schiefer und längerer Linie gegen die beiden Pole hin fallen. Nunmehr ziehet man von dem Aequator bis zu dem einen oder dem andern Pole Linien, so viel man will, so wird eine jede Linie den vierten Theil eines Zirkels ausmachen. Eine solche Linie von a zu b heißt die Breite; geht sie vom Aequator zum Südpol, so heißt sie die südliche, und die nördliche, wenn sie vom Aequator an zum Nordpol gehet. Sie wird in 90 Grade abgetheilt, wovon ebenfalls jeder Grad 15 Deutsche Meilen beträgt. Wenn man nun die Lage eines Orts auf der Erdkugel bestimmen will, so muß man durch astronomische Beobachtungen ausfündig machen, wie viel Grade der Ort einer solchen Linie nach von dem Aequator ab liege. So hat man z. B. gefunden, daß Leipzig 51 Grade vom Aequator gegen den Nordpol zu liege; mon sagt also: Leipzig liegt unter dem 51. Grade nördlicher Breite. Da nun aber so viele Breiten sind, als Linien von jedem Punkte des Aequators gegen einen der beiden Pole gezogen werden können, so können gar viele Orte unter einerlei Breite liegen (wie z. B. die drei o auf der nördlichen Seite der Zeichnung); es ist also noch weiter folgendes auszumachen: Man ziehet zwischen dem Aequato und einem der Pole rund um die Kugel Linien, so daß die Linien der Breite gerade durchschnitten werden. Diese Linien oder Kreise o werden eben so wie die Linien der Breite in Grade abgetheilt, wobei es willkührlich ist, von welchem Punkte aus man anfängt die Grade zu zählen. Sie bezeichnen [176] die Länge, unter welcher ein Ort auf der Kugel oder auf der die Erdkugel vorstellenden Landkarte liegt. Auf dem festen Lande wird die Länge durch die Feldmeß-Kunst gefunden, indem man von dem einen Ort zum andern, die beide unter einerlei Breite liegen, wie z. B. Leipzig und Dünkirchen, die Entfernung nach Ruthen und Meilen ausmißt. Auf der See findet man die Länge theils durch astronomische Beobachtungen, theils durch Seeuhren, jedoch auf beiden Wegen mit vieler Schwierigkeit. Man setzt dabei einen Ort fest, von welchem man anfängt, die Grade der Länge zu zählen, z. B. Amsterdam, die Sternwarte zu Grenwich bei London, den Pik auf Teneriffa, die Insel Ferro etc.; man zieht alsdann auf der Seekarte von einem dieser Standpunkte eine Linie, und setzt den Ort, wo man sich befindet, auf denjenigen Punkt, wo die Linie der Länge die Linie der Breite durchschneidet. Man vergleiche hiermit den Artikel Aequator.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 175-177.
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