Geographische Gesellschaften

[183] Geographische Gesellschaften, Vereine, welche sich die Beförderung der geographischen Wissenschaft, sowie die Bekanntmachung der Ergebnisse der geographischen Forschung namentlich über entlegenere u. noch wenig bekannte Gegenden des Erdballes zur alleinigen Aufgabe gestellt haben. Je nach den Geldmitteln, über welche sie zu verfügen haben, suchen sie ihren Zweck durch Ausrüstung wissenschaftlicher Expeditionen, durch Preisbelohnungen bedeutender geographischer Entdeckungen, durch Veröffentlichung u. Verarbeitung der von Reisenden u. Forschern eingesandten Materialien, durch wissenschaftliche Vorträge u. Discussionen etc. zu erreichen. Die großen Fortschritte, welche seit einigen Jahrzehnten die Kunde von den physischen, ethnographischen u. politisch-statistischen Verhältnissen der Erdoberfläche gemacht hat, ist zu einem großen Theile den vereinigten Bestrebungen der G-n G. zu verdanken. Auch ist ihre Wichtigkeit bes. von solchen Staaten anerkannt worden, welche, wie Frankreich, England u. die Niederlande, Colonien besitzen u. einen ausgebreiteten Seehandel treiben, od. wie Rußland, Österreich u. einige amerikanische Staaten, Länderstrecken u. Völkerschaften umschließen, deren Natur u. Eigenthümlichkeit noch so gut wie gar nicht erforscht sind. Hieran zunächst reihen sich einige Gesellschaften, die sich unter den Auspicien ihrer Regierungen vorzugsweise die Erforschung eines einzelnen Landes zur Aufgabe gesetzt haben, jedoch mehr unter die Kategorie der Statistischen Vereine (s.d.) gehören. Die Reihe der gegenwärtig bestehenden G-n G-n beginnt mit a) der Socciété de Géographie in Paris; sie wurde durch einen Aufruf vom 7. Novbr. 1821, welchen Barbier du Boccage, Fourier, Jomard, Langlès, Letronne, Maltebrun, Rossel u. Walckenaer erließen, begründet u. hielt 15. Decbr. 1821 die erste Versammlung, bei welcher sich bereits über 200 Betheiligte einfanden. Das von ihr publicirte Recueil de Voyages et de Mémoires (Par. 1829 ff., 1–7. Bd.) enthält fast nur Arbeiten zur historischen Geographie. Das periodische Organ der Gesellschaft ist das monatliche Bulletin de la Société de Géographie, Par. 1822 ff. b) Die Royal Geographical Society of Great Britainand Ireland in London ging hauptsächlich durch den Einfluß Bar ows aus dem schon seit längerer Zeit existirenden Raleigh Travellers Club u. der African Society hervor[183] u. wurde 16. Juli 1830 gestiftet; sie hat bis jetzt unter allen geographischen Vereinen am einflußreichsten u. großartigsten gewirkt; aus ihrem durch die Beiträge der Mitglieder u. anderen ihr zufließenden Unterstützungsgeldern gebildeten Fonds, 3500 Pfd. Sterling für 1858, ertheilt sie jährliche Preise für die bedeutendsten geographischen Entdeckungen u. Arbeiten, sendet talentvolle Reisende nach allen Theilen der Erde aus u. gibt seit 1831 das Journal of the Royal Geographical Society heraus, wozu seit Anfang 1857 noch die Proceedings kommen; das Journal ist die reichste Fundgrube des neuesten u. trefflichsten geographischen Materials; Anfang 1858 zählte die Gesellschaft 1039 Mitglieder. c) Die Russische Geographische Gesellschaft in Petersburg, welche bereits 1845 gestiftet wurde, aber erst 28. Dec. 1849 die kaiserliche Bestätigung ihrer Statuten erhielt. Mit einem ansehnlichen Fond ausgerüstet, sowie von der russischen Regierung, namentlich aber von Privaten mit namhaften Summen unterstützt, sendet sie wissenschaftliche Expeditionen nach den noch unerforschten Theilen des Russischen Reiches, sowie nach dessen asiatischen Grenzlanden aus u. veröffentlicht die Ergebnisse derselben sowie die Mittheilungen u. Arbeiten der einzelnen Mitglieder in dem Zapiski Ruskago geografičeskago občestwa, Petersb. 1846 ff., u. dem Westnik Imperatorskago Ruskago geografičeskago občestwa, ebd. 1846 ff., wozu noch die jährlichen Comterendus in französischer Sprache u. der Ethnografičeskie Swornik (seit 1851) kommen. Die Petersburger Hauptgesellschaft besitzt zwei ebenfalls sehr thätige Zweige, den Kaukasischen in Tiflis (seit 1848), deren Zapiski (d.i. Denkschriften) seit 1850 in Tiflis unter der Redaction Werderewskis erscheinen, u. den Sibirischen Zweig in Irkutsk (seit 1851), dessen Denkschriften (Zapiski) seit 1856 in Petersburg herauskommen. d) Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin ging 1828 aus dem Verein für Erdkunde hervor, der 1824 bes. auf Ritters u. Berghaus Veranlassung in Berlin zusammengetreten war. Gegenwärtig zählt die Gesellschaft etwa 400 Mitglieder. Sie gab erst 1829–39 ein Jahrbuch der Gesellschaft für Erdkunde, dann 1839–53 Monatsberichte unter Mahlmanns Redaction, gegenwärtig seit 1853 die zuerst von Gumprecht, dann seit 1856 von Naumann redigirte Zeitschrift für Erdkunde heraus. e) Die Kaiserlich Königliche Geographische Gesellschaft in Wien, die, obgleich erst 1856 gestiftet, bereits 400 Mitglieder zählt u. sich außer Förderung der geographischen Wissenschaften im Allgemeinen ganz bes. die Erforschung der geographischen Verhältnisse des österreich. Kaiserstaates zum Ziel gesetzt hat. Sie gibt seit 1857 Mittheilungen in zwanglosen Heften heraus. f) Die Geographische Gesellschaft in Frankfurt a.M., gestiftet 1836, mit 180 Mitgliedern, u. g) die Geographische Gesellschaft (Verein für Erdkunde) in Darmstadt, gestiftet 1845, gegenwärtig mit 123 Mitgliedern, haben mehr locale Bedeutung. Der Darmstädter Verein gibt seit 1855 ein Notizblatt heraus. h) Die Geographical Society in Bombay, 1833 gestiftet, beschäftigt sich zunächst mit der Erforschung des westlichen Indiens u. hat seit 1836 bereits 14 Bände ihrer Transactions herausgegeben. i) Die American Geographical and Statistical Society in New York, welche seit 1852 ein jährliches. Bulletin herausgibt. k) Die Sociedad Mexicana de Geografia y Estadistica u. l) die Kaiserlich Brasilianische Historische Gesellschaft, beide zunächst für die geographische Erforschung Mexicos u. Brasiliens bestimmt. Die erstere Gesellschaft gibt seit 1839 ein Boletin, die letztere eine Revista trimensal heraus. Das Koninklijk Instituut voor taal-, land- en volkenkunde van Neederlandsch Indie, welches seit 1856 Bijdragen u. Werken veröffentlicht, sowie die Indisch Genootschap im Haag, die seit 1854 Handelingen en Geschriften herausgibt, gehören unter die Kategorie der Asiatischen Gesellschaften (s.d.).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 183-184.
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