Geographische Ortsbestimmung

[386] Geographische Ortsbestimmung, Bestimmung der Lage eines Punktes auf der Erdoberfläche durch Ermittlung seiner geographischen Koordinaten (s.d.): durch die geographische Länge und die geographische Breite ist der Punkt auf der mathematischen Erdoberfläche eindeutig festgelegt.

Eigentlich gehört zur geographischen Ortsbestimmung des Punktes noch seine Meereshöhe, d.h. sein Abstand vom Geoid, gemessen in dem (in Strenge nicht geradlinigen) Lot von dem Punkt auf die Geoidfläche herab (dessen Tangente in dem Punkt die Lotrichtung daselbst ist); doch wird die Ermittlung dieser dritten Koordinate, der Höhe, meist nicht in den Begriff der geographischen Ortsbestimmung aufgenommen.

Die Bestimmung der geographischen Länge und Breite läßt sich aber im ersteren Falle gar nicht und im zweiten nur mangelhaft ohne die Bestimmung der Zeit, d.h. der Abweichung der zu den Beobachtungen benutzten Uhr von ihrer Sollangabe ausführen, so daß zur praktischen Bestimmung der geographischen Koordinaten auch die der Zeit gehört. Außerdem ist es meist nötig, für die Orientierung sich anschließender Vermessungen noch die Richtung des Meridians, d.h. den Winkel zu bestimmen, den irgend eine horizontale Richtung mit dem Meridian einschließt, also eine Azimutmessung auszuführen.

Die Bestimmung der geographischen Koordinaten eines Punktes kann geodätisch (durch »geodätische Uebertragung« von einem nach geographischen Koordinaten bereits bekannten Punkt aus oder für weniger seine Bestimmung durch Entnahme aus einer Karte, die das graphische Resultat aller dieser geodätischen Uebertragungen vorstellt) geschehen; oder sie kann direkt »astronomisch« (astronomische Ortsbestimmung, wie man dann richtiger sagen sollte) ausgeführt werden. Für den ersten Fall ist auf Geodätische Uebertragung, für den zweiten auf die einzelnen Artikel: Azimutbestimmung, Längenbestimmung, Polhöhenbestimmung, [386] Zeitbestimmung zu verweisen. Doch mag hier für diesen zweiten Fall direkter Messung, in dem die Anforderungen an die Genauigkeit selbstverständlich sehr bedeutend schwanken (Ortsbestimmung zur See oder Ortsbestimmung eines Reisenden in wenig erschlossenem Land einerseits, Ortsbestimmung einer Sternwarte mit fest aufgestellten großen Instrumenten anderseits sind die Extreme) und in denen die Ausführung in Beziehung auf Beobachtungsmethoden und Instrumente verschieden ist, je nachdem der Beobachtungspunkt auf einem Schiff oder ein Punkt des festen Landes ist, wenigstens einige Literatur zusammengestellt sein, soweit sich die Werke auf alle hierhergehörigen Aufgaben erstrecken; es kann allerdings nur eine sehr beschränkte Auswahl geboten werden (vgl.a. die Notizen bei dem Art. Aequatoreal und bei den oben schon genannten Einzelartikeln).

Werden die genauen Formeln für die geodätischen Uebertragungen und dementsprechendem Messungsmethoden angewendet, so kann auf diesem Wege in beiden Koordinaten noch 1/100000 der Bogensekunde erhalten werden. Dagegen kann man aus Karten, wenn sie sonst richtig orientiert sind, bei einem Maßstabe von 1/100000 die geographischen Koordinaten noch bis auf 1'' entnehmen. Im andern Fall wird für nautische Zwecke und mit Hilfe von Spiegelinstrumenten nur etwa 0,1' zu verlangen sein, ebenso für Routenaufnahmen auf Reisen bei Anwendung der kleinen transportabeln Universalinstrumente. Dagegen werden auf geodätischen Punkten erster und zweiter Ordnung die Resultate bis auf 0,1'' scharf sein müssen und auf festen Observatorien wird man noch schärfer messen müssen.


Literatur: In französischer, holländischer und englischer Sprache gibt es eine große Anzahl von Anweisungen zur Navigation, die alle Anleitungen zu geographischen Ortsbestimmungen sowohl durch Koordinatenübertragung (Koppelkurs) als auch durch astronomische Beobachtungen enthalten. – Eines der verbreiterten ist: Raper, Practice of Navig. and Nautic. Astronomy. – Anweisungen zu astronomischen Ortsbestimmungen enthalten: für Reisezwecke geeignet: v. Neumayer, Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen, 3. Aufl., 1906; für genauere Arbeiten: Wislicenus, W.J., Handbuch der geographischen Ortsbestimmungen, Leipzig 1891; Güßfeld, P., Grundzüge der astronomisch-geographischen Ortsbestimmung, Braunschweig 1903; Marcus, A., Handbuch der geographischen Ortsbestimmungen, Braunschweig 1905. Auch ist zu vergleichen bezüglich weiterer Literatur: Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften u.s.w., Leipzig 1906, Bd. 6, Heft 1. Für alle genaueren Arbeiten sind vor allen andern die Formeln und Hilfstafeln für geographische Ortsbestimmungen von Th. Albrecht zu benutzen, und für die theoretischen Entwicklungen muß auf die Hand- und Lehrbücher der sphärischen Astronomie verwiesen werden. Dazu sind zu vergleichen die Art. Länge (geographische), Polhöhe, Azimut und Navigation, zum Teil auch Photographische Ortsbestimmung. Für die nautischen Bestimmungen der geographischen Koordinaten des Schiffsortes ist auf die Handbücher der Navigationslehre und die meist beigegebenen Tafelsammlungen zu verweisen, vor allem: Handbuch der Navigation, herausgeg. vom Reichsmarineamt, 3. Aufl.; v. Bolte (Direktor der Navigationsschule zu Hamburg), Handbuch der Navigation, Hamburg 1899; Breusing, Steuermannskunst, Leipzig 1902 (die Tafeln dazu sind neu von E. Schilling, Direktor der Seefahrtschule zu Bremen, herausgegeben). Dazu kommen noch eine Reihe älterer Tafelsammlungen von Domke, Ligowski u.a.

Ambronn.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 386-387.
Lizenz:
Faksimiles:
386 | 387
Kategorien: