Jean Baptista Moliere

[156] Jean Baptista Moliere. Dieser große komische Theaterdichter hieß eigentlich Poquelin, und war 1620 zu Paris geboren. Sein Vater, ein Hoftapezirer, unterrichtete ihn in seiner Profession, ließ ihn aber auf sein wiederholtes Bitten studiren. Poquelin machte in den gesammten Schulwissenschaften und unter des großen Gassendi Anleitung sogar in der Philosophie die glücklichsten Fortschritte. Allein seine Neigung zum [156] Theater, die seine Aeltern von Jugend auf vergeblich zu unterdrücken suchten, bewog ihn bald unter die Schauspieler zu gehen. Er nahm, um die Ehre seiner Verwandten nicht zu kränken, den Namen Moliere an, machte Bekanntschaft mit einer Dorfkomödiantin, Bejart, deren Tochter er nachher heirathete, und errichtete mit ihr zu Lyon eine eigne Truppe, welche bald sehr in Aufnahme kam. Hier wurde er bald als trefflicher komischer Acteur beliebt, und fing nun an, sich auch als theatralischer Schriftsteller zu zeigen. Sein erstes Lustspiel, der Unbesonnene (lʼEtourdi), welches 1653 aufgeführt wurde, erhielt allgemeinen Beifall; eben dieses Lob bekamen einige kleine Versuche von ihm im Niedrigkomischen, die er aber nie drucken ließ. Er wurde, nachdem er eine Zeit lang in Beziers gespielt hatte, in Paris Schauspieler; und Ludwig XIV. erlaubte ihm, eine eigne Truppe zu unterhalten. In Paris herrschte noch ein großer Geschmack an den elendesten Possenspielen, und kein einziger komischer Schriftsteller war auch nur mittelmäßig. Moliere überwand alle Hindernisse; er bildete sich anfangs nach den Komikern der Alten, legre sie aber, als ihn der Beifall vieler Kritiker, besonders seines Freundes und Rathgebers Voileau, von der Vortrefflichkeit und Originalität seiner eignen Arbeit überzeugt hatte, ganz bei Seite, und schöpfte seine Ideen und Pläne allein aus dem Schatze von Menschenkenntniß, den er sich gesammelt hatte, und aus den Sitten seiner Zeit. Unterstützt von Ludwig XIV. welcher ihn zum Director der Hoftruppe machte, wagte er es nicht nur, die Thorheiten seines Zeitalters und Vaterlandes darzustellen, sondern er wählte auch oft lebende Personen, sogar Hofleute, zu Originalen seiner Stücke. Diese Kühnheit, vorzüglich sein Stück Tartüffe, in welchem er die unter der Maske der Frömmigkeit verborgene Boßheit angriff und die Blößen der Geistlichkeit zeigte, zog ihm viele Feinde zu; und das erwähnte Meisterstück würde ohne den Schutz des Königs gewiß den Flammen übergeben und er ein Opfer der wüthenden Clerisei geworden sein. Die Verehrung, die er genoß, war ungemein. Er arbeitete unermüdet, und lieferte, wenn ihm nur Ludwig XIV. der immer seine Befehle zu Verfertigung neuer Stücke sehr schnell vollzogen wissen wollte, gehörig Zeit ließ, fast immer Meisterwerke, [157] theils in Prosa, theils in Versen. Unter ihnen zeichnet sich besonders der Menschenfeind, der Tartuffe, der Geitzige, der eingebildete Kranke, die lächerlichen Preciosen, die Weiberschule, Dandin und viele andre aus. Am besten gelang ihm das vom Niedrigen eben so weit als vom Pomp entfernte Komische. Endlich traf ihn im 53. Jahre das gewöhnliche Schicksal großer Acteurs; er ward das Opfer seiner Kunst. Als er in seinem letzten Stück, der eingebildete Kranke, trotz einer wirklichen und gefährlichen Krankheit und wider die Bitten vieler Freunde dennoch auftrat, zog ihm die äußerste Anstrengung einen Blutsturz zu, der bald nach der Vorstellung, den 17. Febr. 1673, seine Tage endigte. Und dieser große Dichter konnte nur auf des Königs strengsten Befehl ein ehrliches aber bloß stilles Begräbniß erhalten! –

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 156-158.
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