Bauchredner

[196] Bauchredner nennt man Diejenigen, welche Töne und Worte so hervorzubringen wissen, daß sie nicht von ihnen, sondern von andern Personen, aus größerer oder geringerer Entfernung und von verschiedenen Seiten zu kommen scheinen. Sie erhielten diesen Namen durch den ehemals verbreiten Glauben, daß sie dies durch ein im Leibe oder in einem andern Theile des Körpers befindliches, ihnen eigenthümliches Stimmwerkzeug bewirkten. In neuerer Zeit angestellte Untersuchungen aber haben dies nicht blos widerlegt, sondern berechtigen sogar zu der Behauptung, daß die Bauchsprache eine durch Übung von allen Menschen zu erlernende Kunst sei, vorausgesetzt jedoch, daß sie mit regelmäßig gebildeten und einer hinlänglichen Beweglichkeit fähigen Stimmwerkzeugen versehen sind. Daß die Bauchredner während des Einathmens und ohne den Mund zu öffnen und die Lippen zu bewegen, sprechen sollen, ist ein Irrthum, der aus dem Bestreben solcher Künstler entstanden ist, die bei dem Athemholen und Sprechen. stattfindenden Bewegungen der Brust, der Kinnladen, des Mundes und der Lippen zur Erhöhung der Täuschung möglichst zu verbergen. Geschickte Bauchredner athmen schnell, aber dennoch tief ein, verbrauchen den eingenommenen Luftvorrath sehr langsam und erzwingen die verschiedene Stärke der Töne hauptsächlich durch die nicht sichtbaren Bewegungen des im Hintergrunde der Mundhöhle befindlichen Gaumensegels, wobei sie die Aufmerksamkeit der Zuhörer dahin zu richten streben, von wo die Töne angeblich kommen sollen und ihrem Gesicht den Ausdruck des Schweigens geben. Je fertiger sie die Sprache Anderer nachzuahmen und gleich Taschenspielern allerlei Nebenumstände zu benutzen wissen, desto vollständiger gelingt die von ihnen beabsichtigte Täuschung. Die sogenannte Bauchsprache war schon im hohen Alterthume bekannt, wurde bei den Griechen für ein Werk der Dämonen gehalten und höchst wahrscheinlich bei den Orakeln von den Priestern benutzt. Auch im Mittelalter nahm der Aberglaube und die Unwissenheit ein Einverständniß des Bauchredners mit dem Teufel an. Die geschicktesten Künstler dieser Gattung hatte von Alters her Ostindien aufzuweisen. In Europa machte sich in neuester Zeit besonders der Franzose Alexander, geb. 1797, berühmt, der bei den Vorstellungen, die er auf seinen Reisen gab, ungemeinen Beifall erntete, indem er mit großer Fertigkeit in der Bauchsprache ein ausgezeichnetes Talent der Darstellung verbindet.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 196.
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