Blutegel

Blutegel

[271] Blutegel (die), eine längst bekannte Art Ringwürmer, sind in neuerer Zeit wegen ihrer häufigen ärztlichen Verwendung zu Blutentleerungen wichtig und ein bedeutender Handelsartikel geworden.

Sie leben in Teichen und sumpfigen Bächen, werden nach Regen aber auch auf dem Lande angetroffen, nähren sich nur vom Blute der Thiere und Menschen und ihr Mund ist ganz dazu gebaut, dieses aussaugen zu können. Die Mundöffnung liegt unter dem sehr beweglichen Kopfende, auf dessen oberer Seite (1, sehr vergrößert) sich zehn schwarze Augen befinden, und ist von einem fleischigen Ringe umgeben, der sich bedeutend erweitern und fest auf die Gegenstände aufdrücken kann. Sie wird von drei zusammenlaufenden Spalten (2, sehr vergrößert) gebildet, zwischen welchen mit einer Reihe beweglicher Zähne besetzte Kiefern (3, sehr stark vergrößert) sitzen, die von oben betrachtet winkelartig zusammenstehen (4) und von denen die drei kleinen Bißwunden herrühren, welche Blutegel hinterlassen, die man saugen ließ. Der Mund dient aber auch als Bewegungsorgan, indem sich damit das Thier ebensowol als mit der Scheibe am hintern Körperende fest anheftet und so durch wechselndes Anheften und Loslassen, Ausdehnen und Zusammenziehen des Leibes kriecht. Fast jedes Land besitzt eigenthümliche Arten von Blutegeln, allein nicht alle werden ärztlich benutzt. Bei uns sind hauptsächlich zwei Arten, der officinelle oder ungar. und der medicinische Blutegel, im Gebrauch. Der erstere (natürliche Größe 5) hat einen grünlichen oder schwärzlichgrünen Rücken mit sechs rostrothen, bindenähnlichen Streifen und einem ungefleckt olivengrünen Bauche; doch gibt es welche mit unterbrochenen (6), in schwarze Punktreihen veränderten (7) oder durch Querstreifen (8) verbundenen Ringen. Die officinellen Blutegel finden sich in Südeuropa, besonders in Ungarn, von wo sie in großen Transporten versendet werden. Der in ganz Europa, doch mehr im nördl. einheimische medicinische Blutegel (9, natürliche[271] Größe) hat auf dem olivengrünen Rücken sechs rostrothe, meist schwarzpunktirte, bindenähnliche Streifen, der Bauch aber ist grünlichgelb, mit schwarzen Flecken; allein auch hier findet man Abänderungen mit zackigen Binden (10), mit schwarzen, wenig gelbgesäumten Binden (11), mit fast schwarzem, grünlichgeflecktem (12) oder fast fleckenlosem Bauche (13). Dem Geschlecht nach sind diese Thiere Zwitter, d.h. zugleich männlich und weiblich, und befruchten sich gegenseitig. Ihr Magen besteht aus einer Reihe hintereinander liegender Säcke, welche sich beim Saugen einzeln füllen, und sie können das Doppelte, ja das Sechsfache ihres Gewichts an Blut in sich aufnehmen und dann lange, nach angestellten Versuchen wol drei Jahre fasten. Die Egel bedürfen daher in der Gefangenschaft auch keiner Fütterung, ja man muß ihnen das eingesogene Blut wieder nehmen, wenn sie tauglich bleiben sollen. Sie pflanzen sich wol kaum, wie Manche wollen, durch Gebären lebendiger Junge, sondern nur durch Eier fort, welche eine Hülle (14) aus verworren ineinander gewebten Fasern umgibt und die eine bräunliche Flüssigkeit enthält, in der die Eierchen liegen (15).

Der medicinische Gebrauch der Blutegel zu örtlichen Blutentziehungen ist sehr alt, war aber außer Übung gekommen, bis er gegen Ende des vorigen Jahrh. wieder erneuert und seitdem immer häufiger wurde. Vor dem Aderlaß, durch welchen Blut aus den größern Gefäßen gelassen wird, hat die Anwendung der Blutegel voraus, daß dadurch eine geringere, freilich nicht ganz genau zu bestimmende Blutmenge aus den Haargefäßen der Haut und an Stellen entfernt werden kann, wo dies kaum auf andere Weise zu bewerkstelligen ist. Das Anlegen der Blutegel geschieht mit der Hand, indem man sie in Leinwand, Papier oder mittels kleiner Gläser mit dem Kopfe an die Theile hält, wo sie saugen sollen. Haben sie einmal gefaßt, so läßt man sie ruhig hängen, bis sie, von eingesogenem Blute gewöhnlich drei- bis viermal so dick als vorher, von selbst abfallen. Sollen sie früher entfernt werden, so braucht ihnen nur Salz oder Asche auf den Rücken gestreut zu werden, niemals aber darf man sie abreißen, was sehr gefährliche Nachblutungen zur Folge haben kann. Überhaupt sollte die Anwendung von Blutegeln nur nach Verordnung und unter Mitwirkung des Arztes oder Wundarztes geschehen, indem schon mehrmals größere Blutgefäße durch diese Thiere verletzt und selbst tödtliche Blutungen verursacht worden sind. Nicht minder nachtheilig ist es, beim Trinken oder sonst unvorsichtigerweise einen Blutegel ins Innere des Körpers gelangen zu lassen, indem er sich dann innerlich ansaugt und unfreiwillige Blutungen veranlaßt. Kennt man die Ursache solcher Zufälle, so wird gewöhnlich Trinken oder Einspritzen von Salzwasser dagegen an gewendet. Frankreich und England sind in Europa die Länder, welche von ihrem außerordentlich großen Bedarfe an Blutegeln, der 1827 in Frankreich an 33 Mill. betrug, das Wenigste selbst erzeugen und wohin der einträglichste Handel damit getrieben wird; auch hat man schon an mehren Orten angefangen, die Blutegelzucht in besonders dazu angelegten Gräben künstlich zu betreiben, scheint jedoch mit den Bedingungen des Gelingens derselben noch nicht völlig vertraut zu sein.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 271-272.
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