Demosthenes

[526] Demosthĕnes, der größte Redner des Alterthums, geb. 384 v. Chr. zu Athen, war der Sohn eines reichen Waffenschmieds und schien von Natur zu nichts weniger als zum Redner bestimmt, indem er stammelte, das R nicht aussprechen konnte, sehr leise sprach und einen schwächlichen Körper besaß. Der frühe Tod seines Vaters brachte ihn unter die Vormundschaft dreier Verwandten, welche ihm sein Erbe zu entziehen suchten und auch wenig für seine Ausbildung sorgten. Allein das Beispiel berühmter Redner und der Wunsch, dereinst zu den Lenkern des Staats gezählt zu werden, spornten ihn so an, daß er alle Schwierigkeiten überwand. Zunächst bildete er sich für die gerichtliche Beredtsamkeit und gewann schon im 17. Jahre einen Proceß gegen seine untreuen Vormünder; nach sorgfältigen Studien wagte er es dann, vor dem Volke aufzutreten, aber wegen seines Stammelns, seiner schwachen Stimme und seines fehlerhaften Geberdenspiels mußte er zweimal unter allgemeinem Gelächter die Rednerbühne verlassen. Der Schauspieler Satyros, sein Freund, machte D. auf seine Mängel aufmerksam, der nun mit kleinen Kieseln im Munde so lange Dichterstellen laut hersagte, bis er sie, ohne zu stammeln, wiederholen konnte, und seine Stimme und Brust stärkte, indem er im raschen Laufe das Brausen der Meereswogen zu überschreien suchte; auch sein Geberdenspiel verbesserte er durch Monate lange einsame Übungen vor einem Spiegel in einem [526] unterirdischen Gemache. Als er aber nach diesen Anstrengungen von Neuem auftrat, erntete er auch allgemeinen Beifall und widmete sich von jetzt an mit edler Hingebung dem Besten seines Vaterlandes. Er wollte die alte Macht und Herrlichkeit seiner Vaterstadt wieder zurückführen und Griechenlands Freiheit namentlich vor den kühnen Eroberungsplänen Philipp's von Macedonien schützen, welche D. mit außerordentlichem Scharfsinn enthüllte. Mit erschütternder Kraft foderte er auf, dessen wachsende Macht zu hemmen und gab mit weisem Rathe die Wege dazu an; aber die Athenienser, zu dauerndem Widerstreben schon zu tief gesunken und noch obendrein irregeleitet durch von Philipp bestochene Redner, verloren, wenn auch nach tapferm Kampfe, in der Schlacht bei Chäronea ihre Freiheit, nach der sie D. eine Bürgerkrone zuerkannten, obgleich seine Feinde ihn der Feigheit beschuldigten. Nach Philipp's bald darauf erfolgtem Tode feuerte D. das Volk zur Abschüttelung des macedon. Joches an, aber nur mit Mühe erhielt Athen deshalb Gnade von dessen Sohne Alexander dem Großen (s.d.) und D. entging kaum der Auslieferung an denselben. Später ward D. der Bestechung beschuldigt und deshalb ins Gefängniß geworfen, aus dem er aber nach Ägina entfloh und hier blieb, bis nach Alexander's Tode der Befreiungskrieg der Griechen gegen Antipater ausbrach, wo er ehrenvoll zurückberufen ward, weil er freiwillig die kleinern griech. Staaten zum Bündnisse mit Athen aufgefodert hatte. Das unglückliche Ende des Kriegs nöthigte ihn aber zur Flucht auf die Insel Kalauria bei Argolis, wo er sich, um seinen Verfolgern zu entgehen, im Tempel des Poseidon im I. 322 v. Chr. vergiftete. Durch ihn erreichte die Beredtsamkeit ihre Vollendung und die griech. Sprache ihre höchste Ausbildung. Von seinen Reden haben sich 61 erhalten, die auch mehrmals ins Deutsche übersetzt worden sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 526-527.
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