Frist

[122] Frist nennt man im Proceß die Zeitbestimmungen, an welche die Vornahme gewisser Handlungen gebunden ist. Enthält eine solche Zeitbestimmung einen bestimmten Tag zur Vornahme einer gerichtlichen Handlung, so nennt man sie Tagfahrt (Termin, terminus); ist dies aber nicht der Fall und kann also die Handlung innerhalb des ganzen verstatteten Zeitraums vorgenommen werden, so nennt man diese Zeitbestimmung eine Frist (dilatio, spatium). Solche Fristen sind entweder gesetzlich bestimmt (Ordnungsfristen, dilationes legales), oder sie werden in jedem einzelnen Falle vom Richter angesetzt (judiciales). oder sie entstehen durch Übereinkunft der Parteien (conventionales). Diejenigen Fristen, welche ohne Verfügung des Richters zu laufen beginnen und ohne Ungehorsamsbeschuldigung von Seiten des Gegners einen unwiederbringlichen Verlust nach sich ziehen, heißen Nothfristen (fatalia). Solche Nothfristen sind der zehntägige Zeitraum, innerhalb dessen ein Rechtsmittel gegen ein Erkenntniß einzuwenden ist (das decendium oder Appellationsfatale), und die Beweisfrist. Wie die Citationen, so sind auch die Fristen und Termine entweder dilatorische oder peremtorische, jenachdem aus der Nichtbeachtung derselben in Bezug auf die streitige Sache selbst ein nicht wieder gut zu machender Nachtheil entsteht oder nicht. Eine gemeinrechtliche dilatorische Frist umfaßt in der Regel einen Zeitraum von 14 Tagen und erst die dritte Frist ist eine peremtorische, welche sonach drei dilatorische in sich schließt. Da das sächs. Recht nur peremtorische Fristen kennt, so umfaßt die sogenannte sächs. Frist einen Zeitraum von sechs Wochen und drei Tagen, welche letztere von den Tagen der Citationen herrühren, die nicht mitgezählt werden und also dem Citirten noch zu Gute kommen müssen. Kann eine Partei die ihr obliegende Handlung in der festgesetzten Zeit nicht vornehmen, so muß sie um Verlängerung des Zeitraums, um Erstreckung des Termins (prorogatio termini) oder Erweiterung der Frist (dilatio spatii, auch dilatio schlechtweg) nachsuchen. Darüber gelten folgende Grundsätze: Eine Nothfrist kann in der Regel nie verlängert werden, selbst wenn beide Parteien übereinstimmen; doch läßt sich ihnen das Recht, auf die Nothfrist gänzlich zu verzichten oder sie zu verkürzen, nicht absprechen. Alle übrigen Fristen können auf einseitiges, mit genügenden Gründen unterstütztes Ansuchen der Parteien verlängert werden. Die aufs Neue zugestandene Frist läuft, wenn der Richter ihren Anfang nicht besonders bestimmt hat, vom Ende der vorigen an. Es ist daher rathsam, den Richter um baldmöglichste Ertheilung der Resolution anzugehen und im Voraus gegen ein abschlägliches Decret Appellation einzulegen, jedenfalls aber die Vornahme der obliegenden Handlung möglichst zu beschleunigen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 122.
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