Justiz

[522] Justīz heißt die Gerechtigkeitspflege im Staat und die Justizhoheit ist das dem Oberhaupte des Staats zustehende Recht, zur Verwaltung der Justiz Richter zu bestellen, darüber zu wachen, daß das Recht gehandhabt werde, das Gerichtsverfahren gesetzlich zu ordnen, für die Ausführung der von den Richtern erkannten Urtheile Sorge zu tragen, oder durch die fürstl. Gnade bei Criminalvergehungen die Strafe zu mildern. Der Rechtszustand wird gefährdet, wenn die Regierung die Freiheit der richterlichen Gewalt, welche sie den in Bezug auf ihre Rechtskunde geprüften und vereideten Richtern anvertraut hat, beschränkt und eigenmächtige Eingriffe (Cabinetsjustiz) sich erlaubt, denn selbst wenn sie hierzu die Macht und dabei nichts Anderes als die Ausübung der Gerechtigkeit im Auge hat, so wird doch die Form des Rechts verletzt. – – Justizmord pflegt man die widerrechtliche Verurtheilung eines Menschen durch richterlichen Ausspruch zum Tode zu nennen. In Wahrheit findet ein Justizmord nur da statt, wo die Gerechtigkeitspflege in einem Staate so verderbt ist, daß wissentlich und willentlich Menschen durch schlechte, nur im Privatinteresse der Gewalthaber gegebene Gesetze zum Tode verurtheilt werden. Mit Unrecht aber nennt man Justizmord einen richterlichen Ausspruch, welcher sich später als Unrecht erweist, aber von dem Richter selbst, in der Überzeugung, das Recht erkannt zu haben, nach bestem Gewissen gefällt wurde. Denn der Richter ist so wenig wie irgend ein anderer Mensch über den Irrthum erhaben.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 522.
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