Lymphatisches System

[790] Lymphatisches System, Saugadersystem, wird derjenige Theil des allgemeinen Gefäßsystems des thierischen Körpers genannt, welcher nicht Blut, sondern eine farblose, durchsichtige, wesentlich eiweißstoffige Flüssigkeit von klebriger Beschaffenheit und salzigem Geschmacke führt und die Bestimmung hat, in Verbindung mit dem System der Blutadern aus allen Theilen des Körpers, in denen sich dasselbe vorfindet, Stoffe aufzunehmen, die entweder in dunstartigen oder tropfbar flüssigen Feuchtigkeiten bestehen, welche durch die Poren der Haut in den Körper eindringen, oder in Feuchtigkeiten, die in dem Darmkanale aus den genossenen Nahrungsmitteln eingesogen werden (dem sogenanten Milch- oder Speisesafte, Chylus) oder in solchen, die von den feinsten Schlagaderenden in die größern Höhlen des Körpers abgesetzt worden sind, oder endlich in verschiedenartigen Substanzen, die aus den verschiedenen Theilen des Körpers wieder in den allgemeinen Kreislauf gebracht werden sollen. Alle diese von dem Saugadersystem in Gemeinschaft mit dem Blutadersysteme aufgenommenen Stoffe dienen entweder zur Ernährung und Erhaltung des Körpers oder werden, wenn sie dazu untauglich sind, aus demselben ausgeschieden. Das lymphatische System ist aus zwei Hauptbestandtheilen zusammengesetzt, aus Gefäßen und Drüsen. Erstere stellen sich dem Auge in Form gebuckelter und vollkommen durchsichtiger Linien dar, bestehen, wie alle Gefäße, aus mehren Häuten, entspringen in den verschiedenen Gegenden des Körpers [790] mit offenen Mündungen, sind mit Klappen versehen, verbinden sich in ihrem Verlaufe vielfach miteinander und bilden zarte Netze, gehen durch die zu ihnen gehörigen Drüsen hindurch und vereinigen sich endlich alle in einen gemeinschaftlichen Gang, die Speisesaftröhre (oder auch zwei dergleichen), die zuletzt in die an der linken Seite gelegene Schlüsselbeinblutader einmündet und hier ihren Inhalt dem Blute zuführt. Die lymphatischen Drüsen, Saugaderdrüsen, sind feste, eiförmige, mit einer eignen Haut umgebene, bald vereinzelt, bald in Gruppen vereinigt vorkommende Körperchen, in denen die Lymphgefäße knäulartig sich verwickeln, während die zwischen diesen befindlichen Zwischenräume vom Zellgewebe ausgefüllt werden, in welchem sich Blutgefäße und Nerven verbreiten. Während nun die Lymphgefäße an dem einen Ende dieser Drüsen eintreten, treten sie an dem andern, aber größer und in geringerer Anzahl, wieder heraus, um sich aufs Neue in die zunächst gelegene größere Lymphdrüse zu begeben. Auf diese Weise vermindert sich allmälig die Zahl der Lymphgefäße in dem Grade, in welchem sie an Größe zunehmen, von ihren verschiedenen Ursprungsstellen aus bis zu ihrer endlichen Vereinigung in einen gemeinschaftlichen Gang.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 790-791.
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