Miethvertrag

[135] Miethvertrag nennt man denjenigen Vertrag, durch welchen der Gebrauch einer gewissen Sache oder die Leistung gewisser Dienste gegen Entrichtung eines bestimmten Preises oder Lohnes versprochen wird. Das röm., noch heutiges Tages befolgte Rechtssystem zählt ihn zu den sogenannten Consensualcontracten, d.h. solchen, welche durch die bloße Übereinstimmung der Parteien vollkommene Gültigkeit oder Perfection erlangen. Der Miethvertrag wird nach den Gegenständen, welche er betrifft, verschieden benannt; bilden bewegliche Sachen, z.B. Anzüge, Pferde und Wagen, oder Wohnungen den Gegenstand des Contracts, so nennt man ihn Miethcontract, bei Gastwirthschaften und ländlichen Grundstücken aber Pachtcontract. Sind Dienste Gegenstand des Vertrags, so sind dies entweder solche, die ein Dienstbote oder Arbeiter gegen einen gewissen Lohn zu leisten verspricht, und dann entsteht der Dienst- oder Lohnvertrag, oder es wird Jemandem die Verfertigung eines bestimmten Werks gegen einen vorher festgesetzten Preis übertragen, welches man den Verdingungsvertrag oder Accord nennt. Was zunächst den Pacht- und Miethcontract anlangt, so muß die Sache, welche Gegenstand desselben ist, eine solche sein, welche durch den Gebrauch nicht zerstört wird, wenn sie auch durch die Benutzung an ihrem Werthe etwas verliert; im Übrigen ist es einerlei, ob es eine bewegliche oder unbewegliche, eine körperliche oder unkörperliche ist, denn auch ein mir zustehendes Recht und selbst eine fremde Sache kann ich wieder vermiethen. Wird eine selbst gemiethete Sache wieder an einen Andern vermiethet oder verpachtet, so nennt man diesen Vertrag Astermiethe oder Afterpacht und derselbe ist vollkommen gültig, wenn nicht bei dem Miethcontracte eine Aftervermiethung ausdrücklich untersagt ist. Nur wer freie Dispositionsbefugniß über sein Vermögen hat, kann miethen und vermiethen. Derjenige, welcher eine Sache miethet, heißt der Miether oder Abmiether, der Pächter oder Abpächter, und Derjenige, welcher sie diesem zum Gebrauch überläßt, wird der Vermiether oder Verpächter genannt. Die Verbindlichkeiten des Vermiethers oder Verpächters bestehen. darin, daß er die Sache in dem versprochenen Zustande, mit allen Zubehörungen und zur gehörigen Zeit überliefere und dem Abmiether während der ganzen Miethzeit ungeschmälert überlasse, auch in einem solchen Stande erhalte, daß der Gebrauch, zu welchem sie vermiethet wurden, wirklich davon gemacht werden kann. Er [135] ist daher verpflichtet, die vermietheten Wohnungen in baulichem Stande zu erhalten und die nothwendig werdenden Reparaturen auf seine Kosten vornehmen zu lassen, nur muß der Abmiether ihm die Schadhaftigkeit der Sache bei Zeiten anzeigen. Unterläßt der Vermiether dennoch die Reparatur, so kann sie der Abmiether selbst vornehmen und seine Auslagen am Miethzins kürzen. Dagegen muß er für ganz unbedeutende Reparaturen oder für solche Ausgaben, welche blos durch seine Benutzung der Sache entstanden sind, selbst stehen, wenn sie noch während der Dauer des Vertrags vorgenommen werden müssen. Endlich muß der Vermiether, wenn nichts Anderes festgesetzt ist, die auf der Sache haftenden öffentlichen Lasten und Abgaben tragen und nach Erlöschung des Vertrags die auf die Sache verwendeten nützlichen Auslagen und Verbesserungen vergüten. Doch kann der Abmiether dafür nur so viel verlangen, als die Sache zur Zeit ihrer Zurücklieferung dadurch an wirklichem Werthe gewonnen hat. Bloße Anlagen zum Vergnügen des gewesenen Miethmannes ohne allgemeinen Werth und Nutzen werden nicht vergütet; doch steht es sowol in diesem als in jenem Falle dem Abmiether frei, seine Verbesserungen wieder wegzunehmen, sofern dies ohne Schaden für die Hauptsache thunlich ist. Die Verbindlichkeiten des Abmiethers oder Pächters bestehen darin, das bedungene Mieth- oder Pachtgeld zur gehörigen Zeit zu entrichten; ein Erlaß am Pachtgelde aber kann in der Regel nur verlangt werden, wenn durch einen Zufall, Miswachs, Hagelschlag u.s.w. ein beträchtlicher Theil der Früchte vor deren Einsammlung verloren wurde; nachher gehen dieselben in das Eigenthum des Pächters über und derselbe muß als solcher auch allen zufälligen Schaden tragen. Der Pächter ist ferner gehalten, die erpachtete Sache pfleglich, oder so wie es üblich ist, zu benutzen, d.h. die Grenzen der Benutzung nicht zu überschreiten und die Sache nicht durch einen übermäßigen Gebrauch ruiniren; endlich muß er nach Ablauf der Miethzeit sie in gehörigem Stande zurückgeben und kann unter keinem Vorwande ein Detentionsrecht im eignen oder im Namen eines Andern daran ausüben. Beide Contrahenten sind übrigens für jeden Schaden, der durch ihre Schuld entsteht, verantwortlich und nur für den Zufall steht der Eigenthümer der Sache. Dieser ist daher auch gehalten, die durch Zufall untergegangenen Inventarienstücke, namentlich das dem Pächter mit einem Landgute übergebene Vieh wieder anzuschaffen. In letzterer Hinsicht pflegt oft ein besonderes Abkommen getroffen zu werden, wornach das vorhandene Vieh gegen eine bestimmte Taxe dem Pächter eigenthümlich übergeben wird (d.i. der sogenannte Eisernviehvertrag), welcher dann verpflichtet ist, nach beendigter Pachtzeit einen Viehstand von demselben Werthe zurückzulassen und allen etwa vorfallenden Verlust selbst zu tragen. – Der Pacht-oder Miethcontract erlischt mit Ablauf der Zeit, auf welche er eingegangen war, wenn er nicht ausdrücklich oder stillschweigend erneuert wird. Letzteres ist der Fall, wenn der Abmiether nach wie vor die Sache mit Vorwissen und ohne Widerspruch von Seiten des Vermiethers zu benutzen fortfährt. Doch kann der Contract auch einseitig aufgehoben werden, wenn der Miethsmann zwei Jahre lang keinen Zins bezahlt hat, mit der vermietheten Sache schlecht umgeht und sie gradezu ruinirt. Ferner wenn der Vermiether eines Hauses in die unvorhergesehene Nothwendigkeit versetzt wird, dasselbe zum eignen Bedarf gebrauchen zu müssen oder einer nothwendigen Reparatur zu unterwerfen. In den beiden letzten Fällen ist er indeß verbunden, den Abmiether zu entschädigen; dieselbe Verbindlichkeit mildert auch den sonst sehr harten Grundsatz: »Kauf bricht Miethe«, wonach der Käufer des Grundstücks den Abmiether sofort austreiben kann. Der Tod des einem oder des andern Contrahenten hebt übrigens den Vertrag nicht auf, wofern dies nicht ausdrücklich festgesetzt ist.

Zur Vermeidung von Streitigkeiten ist es sehr heilsam, stets einen schriftlichen Contract über eine Vermiethung oder Verpachtung zu errichten, obgleich die Gesetze es zur Gültigkeit derselben nicht verlangen. Wenn Dienste den Gegenstand des Vertrags ausmachen, so kommen im Allgemeinen dieselben Grundsätze zur Anwendung, welche auch bei der Vermiethung von Sachen gelten, nur müssen die Dienste erlaubt und solche sein, für welche ein Lohn und nicht etwa ein Ehrensold (Honorar) gegeben zu werden pflegt. Ist der Vermiether seiner Dienste bereit, sie zu leisten, ein Zufall aber macht sie unnöthig, so kann er dennoch seinen Lohn fodern. Auch der Bauherr oder der Besteller eines in Accord gegebenen Werks ist den Zufall zu tragen verbunden, ausgenommen, wenn das Gegentheil ausdrücklich ausgemacht ist, wenn der Schade in einem Versehen des Unternehmers oder in einem Fehler des Materials seinen Grund hat, wenn das Werk auf Billigung in Verding gegeben ist und sich der Zufall vor erfolgter Billigung ereignet, wenn eine Arbeit stückweise oder nach einem Maße verfertigt und geliefert wird, insoweit sie dem Besteller noch nicht abgeliefert ist, und endlich, wenn der Besteller zwar den Stoff geliefert, der Arbeiter diesen aber nur der Gattung nach wiederzugeben verpflichtet ist. Der Lohn- und Dienstvertrag erlischt, wenn der Dienst, der den Gegenstand desselben ausmachte, geleistet ist oder bei fortdauernden Dienstleistungen durch den Ablauf der Zeit, für welche sie gemiethet wurden, durch den Tod Dessen, der sie leisten sollte. Der Verdingungsvertrag erreicht sein Ende, wenn die Arbeit verfertigt und das Werk vollendet ist oder der Baumeister vorher stirbt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 135-136.
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