Miethvertrag

[247] Miethvertrag (lat. Locatio conductio), der wesentlich zweiseitige Vertrag, durch welchen Jemand (Locator, Vermiether) dem Andern (Conductor, Miethsmann, Miether) gegen ein von Letzterem zu zahlenden Miethgeld (Miethzins, Merces, Pensio) den Gebrauch eines Gegenstandes einzuräumen verspricht. Besteht der Gebrauch dieses Gegenstandes in dem Bezuge von Früchten od. analogen Einkünften, so wird der Vertrag gewöhnlicher Pachtcontract, die Contrahenten Verpachter u. Pachter genannt, ohne daß indessen durch diese verschiedene Bezeichnung an der Natur des Vertrages etwas Wesentliches geändert würde. Admodiation hat man mit einem Kunstausdruck den Vertrag genannt, wenn er die Gebrauchsüberlassung eines größeren Landgutes mit allen dazu gehörigen Gerechtigkeiten zum Gegenstand hat. Der Vermiether od. Verpachter ist verpflichtet, dem Miether od. Pachter den ordnungsmäßigen Gebrauch der Sache sammt ihren Zubehörungen zu prästiren, die Grundabgaben u. Lasten derselben zu tragen u. etwaige nothwendige od. nützliche Verwendungen, welche der Miethsmann auf die Sache machen sollte, dem Letzteren zu erstatten. Dagegen ist der Miethsmann schuldig, das Miethgeld (u. zwar der Regel nach erst nach gemachtem Gebrauch) zu entrichten, die Sache selbst pfleglich zu benutzen u. am Ende der Miethzeit so, wie sie durch den ordnungsmäßigen Gebrauch geworden ist, zurückzugeben. Den Miethpreis hat der Miethsmann selbst dann zu entrichten, wenn erdurch irgend welche Umstände an dem wirklichen Gebrauch verhindert worden sein sollte, es müßte denn sein, daß der Grund der Verhinderung von dem Vermiether ausgegangen wäre, od. durch einen in der Sache selbst liegenden Zufall veranlaßt worden wäre. Bei der Location frucht tragender Sachen hat überdies der Pächter, auch wenn durch außergewöhnliche Zufälle, z.B. Hagelschlag, der Bezug der Früchte ganz od. theilweise beeinträchtigt worden sein sollte, einen Anspruch auf verhältnißmäßige Minderung od. gänzlichen Erlaß des Pachtzinses (Remissio mercedis), es müßte denn bei einem für mehre Jahre abgeschlossenen Pacht der Ausfall eines od. mehrer Jahre durch den reichlichen Ertrag der übrigen wieder aufgewogen werden od. von dem Pachter auf dies Recht von vornherein verzichtet worden sein. Der Umfang des zulässigen Gebrauches richtet sich in Ermangelung diesfallsiger näherer Verabredung nach der Natur u. dem Zweck des vermietheten od. verpachteten Gegenstandes. Als besondere Regel gilt aber, daß der Miether, insofern nicht das Gegentheil ausgemacht worden ist, auch das Recht der Aftermiethe od. des Afterpachtes (Sublocatio), d.h. das Recht hat, den gemietheten Gegenstand zu demselben Gebrauche, zu welchem er ihn gemiethet hat, ganz od. in geringerem Umfange wieder an einen Dritten zu vermiethen, resp. zu verpachten, u. so sein Recht in dem Bezuge des Astermiethgeldes auszuüben. Der Aftermiether od. Afterpachter tritt zwar dadurch keineswegs, wie etwa durch Cession, in den ursprünglichen Contract ein, so daß der ursprüngliche Miether von seinen Verpflichtungen befreit würde; es erlangt indessen der Vermiether, wie an den eingebrachten Sachen des ersten Miethsmannes, so auch an den Sachen des Aftermiethers, ein gesetzliches Pfandrecht, u. der Aftermiether kann seinerseits bis auf Höhe der Summe, welche der erste Miether seinem Vermiether schuldet, willkürlich an den Letztern unmittelbar zahlen. Die Endigung der Miethe tritt mit dem Untergange des vermietheten Gegenstandes, sodann auch durch Erreichung des ihr gesteckten Zieles, namentlich daher durch Ablauf der Zeit ein, auf welche der Vertrag abgeschlossen wurde. Die letztere kann entweder im Voraus bestimmt festgesetzt, od. es kann auch verabredet sein, daß sie von einseitiger Kündigung abhängig gemacht wird, für welche häufig dann eine Frist gesetzt ist, nach deren Ablauf sie erst wirksam wird. Läuft ein im Voraus bestimmter Endtermin ab, ohne daß die Parteien Anstalt gemacht haben, das Verhältniß thatsächlich aufzulösen, so wird der M. als stillschweigend erneuert betrachtet u. zwar in der Weise, daß bei dem Pacht über fruchttragende Landgüter die Miethzeit dann als um ein Jahr, bei Gebäuden u. anderen nicht fruchttragenden Sachen aber als auf so lange verlängert gilt, bis von einer Seite eine Kündigung eintritt; war aber über den M. ein schriftlicher Contract verabfaßt u. darin eine bestimmte Frist festgesetzt, so ist die stillschweigende Fortsetzung als wiederum auf dieselbe Zeit ausgedehnt anzusehen. In gewissen Fällen ist es indessen den Parteien gestattet, auch vor dem festgesetzten Endtermin einseitig das Mieth- od. Pachtverhältniß aufzulösen. Dies Recht ist dem Vermiether eingeräumt, wenn der Miethsmann 2 Jahre hindurch mit Bezahlung des Miethgeldes im Rückstand verblieb, wegen Mißbrauchs der Sache, wegen einer nöthigen, die Fortsetzung des Gebrauches nicht zulassenden Reparatur, wegen dringenden eigenen Bedürfnisses u. wegen Eröffnung des Concurses über den Pachter; dem Miether u. Pachter dagegen wegen solcher Mängel des Miethobjectes, welche dessen Gebrauch hindern od. erheblich erschweren, bei Säumniß des Vermiethers[247] in Einräumung der Sache, so wie wegen gegründeter Furcht vor einer mit der Fortbenutzung verbundenen Gefahr. Dagegen gibt der Tod eines der Contrahenten so wenig, als der Verkauf der Sache an sich einen Anspruch darauf, die Miethe als aufgehoben zu betrachten. Der Satz: Kauf bricht Miethe, will nur das sagen, daß der neue Käufer nicht genöthigt ist, in die von dem Verkäufer abgeschlossenen Miethverträge einzutreten, daher die Miethsleute von der Sache abtreiben kann, welche dann nur mit einer Schädensklage, wegen nicht erfüllten Contractes, sich an ihren ursprünglichen Vermiether zu halten haben. Eine besondere Art des M-s bildet noch die Dienstmiethe, bei welcher menschliche Kräfte den Gegenstand des Vertrages bilden. Dieselbe kommt theils so vor, daß diese Kräfte unmittelbar vermiethet werden (Locatio conductio operarum), wie bei der Miethe des Gesindes, eines Tagelöhners etc., od. daß die dadurch hervorzubringende Wirkung, z.B. eine zu verfertigende Sache, der Transport eines Gegenstandes etc. das Object des Vertrages ausmacht (Locatio conductio operis, Verdingung). Im letzteren Falle ist der Besteller (Locator operis) zur Übernahme der Sache u. Zahlung des Preises an den Verfertiger (Conductor operis, Redemtor) verpflichtet, sobald die Sache nach sachverständigem Gutachten der Bestellung gemäß vollendet worden ist. Mit dieser Übernahme wird der Redemtor von jeder Haftpflicht befreit; dagegen haftet vor derselben der Redemtor selbst für den zufälligen Schaden, so daß er der Regel nach keinen Anspruch auf Bezahlung des Preises erwirbt, insofern nicht etwa die Übernahme nur durch Säumniß des Bestellers verzögert wurde. Bei der Locatio conductio operarum gelten überall die gewöhnlichen Grundsätze über den M., soweit der Gegenstand deren Anwendung zuläßt. Oft haben übrigens Ortsstatuten, bezüglich der Miethe von Wohnungen in den Städten, noch besondere Regeln, z.B. über die Zeit, zu welcher allein Aufkündigungen erfolgen dürfen, u. ein abgekürztes Verfahren bei Miethirrungen eingeführt. Auch hat man die Miethverträge neuerdings mehrfach als Maßstab für die Besteuerung zur Einführung einer Miethsteuer (s.u. Steuer) benutzt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 247-248.
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