Misanthropie

[153] Misanthrŏpie, ein Wort griech. Ursprungs, bedeutet so viel als Menschenscheu oder Menschenhaß, eine Verirrung des Geistes, die sich häufig zur Melancholie gesellt, immer eine gewisse Schwäche des Urtheils voraussetzt und nur im höhern Alter beobachtet wird. Menschen cholerischen oder sanguinischen Temperaments, die wenig Gelegenheit gehabt haben, ihr Urtheil zu bilden, die Welt und ihre Verhältnisse von einem einseitigen Standpunkte zu betrachten gewohnt und mit einer lebhaften Einbildungskraft begabt sind, verrathen eine besondere Anlage zu diesem traurigen Zustande, der sich am gewöhnlichsten unter dem niederdrückenden Einflusse anhaltender Widerwärtigkeiten und unglücklicher Lebensverhältnisse, ganz besonders aber bitterer Erfahrungen rücksichtlich der Denk- und Handlungsweise ihrer Nebenmenschen entwickelt, zuweilen aber auch in Folge einer erblichen Anlage ohne hinreichende äußere Veranlassung zu entstehen scheint und sich selbst überlassen, unheilbar werden kann. Die Misanthropie ist in der Regel mit einem auffallenden Hange zu gewaltsamen Leidenschaften und Handlungen, zu Äußerungen des Zorns, Hasses und der Rachsucht verbunden und gehört überhaupt zu denjenigen Zuständen, die sowol Dem, der von ihr befallen ist, als auch seinen Umgebungen das Leben zu einem wahren Jammerthale machen.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 153.
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