Miranda

[152] Miranda (Don Francisco), der unglückliche Vorkämpfer Bolivar's (s.d.) bei Begründung der Unabhängigkeit des span. Südamerika, ward von angesehenen und reichen Ältern zu Caracas geboren und einige 20 Jahre alt als span. Oberst angestellt, mußte aber in Folge eines misglückten Versuchs gegen die Tyrannei des span. Vicekönigs von Neugranada landflüchtig werden. Nachdem er einige Zeit als Freiwilliger im nordamerik. Kriege diente, bereiste er die vorzüglichsten europ. Staaten meist zu Fuß und befand sich zu Anfange der franz. Revolution in Petersburg,[152] wo er vortheilhafte Anträge, in russ. Dienste zu treten, ablehnte. Dagegen ging er 1792 nach Frankreich, wo er unter Dumduriez (s.d.) Brigadegeneral ward, 1793 die jedoch bald wieder aufgehobene Belagerung von Mastricht und darauf in der Schlacht bei Neerwinden den linken Flügel commandirte, und da ihm der unglückliche Ausgang derselben Schuld gegeben wurde, fast guillotinirt worden wäre. Später wegen politischer Umtriebe mehrmals verhaftet, erhielt M. einmal durch den Sturz Robespierre's, zuletzt 1797 durch die Flucht nach England, seine Freiheit wieder und kehrte erst 1803 nach Frankreich zurück. Da er jedoch, als geheimer Umtriebe gegen den ersten Consul verdächtig, des Landes verwiesen wurde, wendete er sich nun in der Absicht nach Amerika, um die von ihm gehaßte span. Herrschaft in seinem Vaterlande zu stürzen. Mit engl. Gelde rüstete er zu dem Ende 1806 in Neuyork 900 Mann und drei Schiffe aus, von denen aber zwei bald durch die Spanier genommen wurden. Eine im Aug. in Venezuela bewirkte Landung endigte ebenfalls mit seiner baldigen Wiedereinschiffung, und erst 1810 gelang es M.'s fortgesetzten Bemühungen, in Caracas festen Fuß zu fassen und die Fahne der Unabhängigkeit zu erheben. Er wurde nun 1811 Oberbefehlshaber des Heers und die von ihm errungenen Vortheile, sowie die allgemeine Sachlage schienen das Beste zu versprechen, als im März 1812 Caracas und andere Städte von einem furchtbaren Erdbeben verheert wurden, wobei Tausende von Menschen und große Kriegsvorräthe zu Grunde gingen. Vergebens ward M. am 26. Apr. vom Congreß zum Dictator ernannt, die allgemeine Entmuthigung, der Einfluß der auf jenes Naturereigniß, wie auf ein Zornzeichen des Himmels, hinweisenden Geistlichkeit und Verrath hemmte jede weitere Unternehmung, und M. schloß endlich im Aug. 1812 mit dem span. General Montaverde einen Vertrag, zufolge dessen die span. Constitution von 1812 in Caracas eingeführt werden und völlige Vergessenheit des Geschehenen eintreten sollte. Dessenungeachtet ward M. treuloserweise verhaftet und nach Spanien gebracht, wo ihn aus dem schrecklichsten Kerker der Inquisition zu Cadiz erst 1816 der Tod erlöste.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 152-153.
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