Melancholie

[104] Melancholie, Trübsinn, Schwermuth wird die Art von Seelenstörung genannt, welche auf anhaltender und ausschließlicher Beschäftigung des Gemüths mit wirklich begründeten oder nur eingebildeten, Schmerz und Trauer erregenden Gegenständen beruht, sodaß für andere Eindrücke und Vorstellungen wenig oder gar keine Empfänglichkeit mehr sich zeigt, das Bewußtsein mehr oder weniger getrübt und Vernunft und Wille befangen und in ihren Äußerungen beeinträchtigt erscheinen. Abgesehen von dem Leiden der Seele verräth sich die Melancholie auch durch körperliche Merkmale und Zufälle, namentlich durch eine bleiche, gelbliche oder erdfahle Gesichtsfarbe, einen matten, trüben, unstäten oder auch stieren Blick, ungewöhnliche Trockenheit und Kühle der Haut, Magerkeit, Trägheit des Pulses, Mangel an Appetit, schlechte Verdauung, Mattigkeit, Beängstigungen und Krämpfe. Je nach der besondern Einbildung, welche dem Übel zum Grunde liegt, oder nach der Art von Irrwahn, mit welchem sie etwa verbunden ist, unterscheidet man verschiedene Arten derselben; so den Trübsinn mit grundlosen und selbst widersinnigen Vorstellungen vom Zustande des Körpers, wie z.B. von Verwandlung einzelner Gliedmaßen in Wachs, Glas, Holz u. dergl.; ferner die religiöse Melancholie; die Melancholie mit der Einbildung, vom Teufel besessen zu sein; den von Lebensüberdruß begleiteten, mit Ausbrüchen [104] von Wuth, Raserei, Neigung zum Selbstmorde verbundenen Trübsinn. Eine besondere Anlage zur Melancholie ist nicht selten ererbt und spricht sich zunächst durch das melancholische Temperament, Geneigtheit zu Unterleibsbeschwerden und Leberübeln, außerdem durch eine krankhafte Reizbarkeit des Gemüths, Verstandes- und Willensschwäche aus. Unter solchen Umständen geben dann meist ein Ereigniß trauriger Art und heftige, durch dasselbe herbeigeführte Gemüthsbewegung die Veranlassung zum Ausbruche der Krankheit selbst. Diese ist nicht immer gleichmäßig anhaltend, sondern tritt mitunter nur anfallsweise ein, im Allgemeinen ist sie jedoch, zumal wenn sie von tief eingewurzelten körperlichen Krankheitszuständen abhängt, sehr langwierig, und geht zwar manchmal unter dem Eintritte verschiedenartiger Ausleerungen, unter Erscheinung von Hautausschlägen u.s.w. in Gesundheit, nicht selten aber auch in Tobsucht, Blödsinn, Epilepsie, Starrsucht, Lähmungen u.s.w. über und kann dadurch, sowie durch Entwickelung von Wassersucht, Abzehrung u. dergl. tödtlich werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 104-105.
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