Schwindel

[140] Schwindel bezeichnet die mit einem eigenthümlichen Gefühle von Angst und Unbehaglichkeit, zuweilen auch mit Doppelt- oder Farbensehen und Ohrensausen verbundene Empfindung, als ob wir uns selbst oder die uns umgebenden Gegenstände sich in einer drehenden, schwankenden, auf- und absteigenden oder unordentlichen Bewegung befänden, eine Empfindung, mit deren Eintritt uns, wenn sie den höchsten Grad erreicht, plötzlich finster vor den Augen wird, sodaß wir zu wanken anfangen und zu Boden fallen. Worauf der Schwindel eigentlich seinem Wesen nach beruht, wissen wir nicht, doch mögen ihn wol zuweilen mancherlei Einwirkungen auf das Sehorgan, zuweilen ungeregelte Seelenverrichtungen, insbesondere ein Mangel an deutlicher Wahrnehmung und klarer Unterscheidung mehrer sich drängender Eindrücke oder Vorstellungen bedingen. Am häufigsten beobachtet man ihn bei allgemeiner Vollblütigkeit, insbesondere bei örtlicher Anhäufung von Blut im Kopfe, wie dieselbe z.B. durch fest anliegende Halsbinden, heftigen, oft wiederholten Husten, erschwerten Umlauf des Blutes durch das Herz und die Lungen herbeigeführt wird, ferner bei innerer Kopfwassersucht, organischen Fehlern des Gehirns, Erschütterung desselben, schnellem Drehen im Kreise, schnellem Auf-und Absteigen von Wendeltreppen, ungewohntem schnellen Fahren, organischen Fehlern des Sehnerven, nach großer Anstrengung der Augen, Einwirkung verschiedener Gerüche, Dünste und Schnupfmittel, Überladungen des Magens, bei dem Vorhandensein von Würmern, Anschwellungen und Stockungen in den Eingeweiden des Unterleibes, langwierigen Stuhlverhaltungen, Vergiftungen durch narkotische Substanzen, nach dem übermäßigen Genusse geistiger Getränke, Unterdrückung gesundheitsgemäßer oder gewohnter Ausleerungen, endlich in Begleitung mancher Nervenkrankheiten, wie z.B. der Epilepsie, Hysterie, Hypochondrie, allgemeiner Lebensschwäche u.s.w. Ob man Schwindel als eine gefahrverkündende oder wenig bedenkliche Erscheinung zu betrachten habe, läßt sich im Allgemeinen nicht bestimmen, sondern hängt hauptsächlich von der Beschaffenheit der ihm zu Grunde liegenden Ursachen ab, nach der sich auch die nie ohne Zuziehung eines Arztes zu unternehmenden Heilversuche richten müssen. In Bezug auf das Verhalten während eines Anfalls von Schwindel gilt indeß als Regel, sogleich bei Annäherung desselben eine vor dem Umfallen sichernde Lage anzunehmen und dieselbe beizubehalten, alle Kleidungsstücke, welche etwa den freien Kreislauf des Blutes hindern und namentlich die Blutanhäufung im Kopfe vermehren oder unterhalten, zu lösen.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 140.
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