Selim

[163] Selim ist der Name dreier Sultane der Osmanen. S. I., ein Enkel Mohammed II., des Eroberers von Konstantinopel, regierte 1512–20; S. II., ein Enkel des eben Genannten, von 1566–74. Der Letztere entzog sich zuerst der kriegerischen Thätigkeit und gab seinen Nachfolgern das Beispiel eines unthätigen, nur dem Sinnengenuß gewidmeten Lebens. Selim III., Gihandari, reg. von 1789–1807 und wurde 1761 geboren, der Sohn Mustapha III. und Nachfolger von dessen Bruder Abdul-Haimid. Schon frühzeitig beschäftigte er sich mit Plänen zur Verbesserung und Wiederherstellung des osman. Reiches. Als er den Thron bestieg, hatte die Pforte mit Rußland und Östreich Krieg und hatte zu Lande und zur See bedeutende Verluste erlitten. Das osman. Reich war dem Untergange nahe, als sich Großbritannien, Preußen und Schweden für dasselbe erklärten und Kaiser Leopold II. bewogen, 1791 den Frieden zu Szistowe abzuschließen, nach welchem Östreich die gemachten Eroberungen herausgeben mußte. Rußland schloß 1792 den Frieden zu Jassy, aber S. mußte die Abtretung der Krim bestätigen und den Dniestr als Grenze gegen Rußland anerkennen. S. unterwarf die seit 1786 im Aufstande gegen die Türkei begriffenen Provinzen Syrien und Ägypten, als sich Paßwan Oglu empörte und 1803 seine Anerkennung als Pascha von Widdin (im Ejalet Rumelien) erzwang. In den europ. Kriegen gegen Frankreich hielt sich S. streng neutral, aber als Bonaparte Ägypten besetzte, verband sich die Pforte mit Rußland und England gegen die franz. Rupublik. Nachdem die Engländer 1801 die Franzosen vertrieben, behielten sie Ägypten bis 1803, wo es an die Pforte zurückgegeben wurde. Die mit der türk. vereinigte russ. Flotte brachte 1800 die Sieben-Inselrepublik unter russ. Garantie unter Oberhoheit der Pforte, und nahm dafür 1801 Grusien in Besitz. Durch den Frieden von 1802 erhielten die Franzosen freie Schiffahrt auf dem schwarzen Meere, und ähnliche Begünstigungen erhielten auch England und andere Mächte. Im Innern strebte S. nach Verbesserungen, gründete ein auf europ. Fuß organisirtes Heer u.s.w. und erregte dadurch die Unzufriedenheit der am Alten hangenden Türken. Frankreich gewann an Einfluß bei S., und 1807 brach der Krieg mit Rußland wiederum aus, und auch England begann Feindseligkeiten, um den Einfluß des franz. Gesandten Sebastiani zu vernichten, ohne jedoch etwas ausrichten zu können. Jetzt aber wollte S. das alte türk. Heer reformiren, und dadurch kam es zum offenen Aufstande der Truppen, welche sich der Hauptstadt bemächtigten. Der Mufti an der Spitze des gleichfalls sich erhebenden Volkes erklärte S. für unwürdig des Thrones. Vergebens versuchte S. durch Rückschritte Versöhnung zu bewirken, er mußte zurücktreten und seinem Neffen Mustapha IV. den Thron überlassen. S. lebte in anständiger Gefangenschaft, bis 1808 Mustapha Bairaktar, Pascha von Ruscsuck, zu Gunsten S.'s die Waffen ergriff und in Konstantinopel eindrang. Da ließ Mustapha auf den Rath des Mufti Selim III. erdolchen und den Leichnam über die Mauer des Serails werfen. Der Bairaktar bemächtigte sich hierauf der Person Mustapha's, steckte ihn ins Gefängniß und setzte Mahmud II. (s.d.), den Bruder des abgesetzten Sultans, auf den Thron.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 163.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: